066 - Marionetten des Satans
sich keine Sorgen um Kate. Sie ist sehr talentiert. Aber sie kann keine Rivalinnen neben sich ertragen. Hie und da muß man sie etwas härter anfassen. Und in diesem Fall dachte ich, je eher, desto besser.“
„Oh – haben Sie schon vorher mit ihr gearbeitet?“
„Ja“, sagte er nach kurzem Zögern.
„Das wußte ich nicht.“ Julie versuchte, sich die Besetzungsliste von Hochzeitsglocken, die sie bei Sherman Picotte studiert hatte, in Erinnerung zu rufen. Aber sie konnte sich nicht entsinnen, den Namen Winsor schon einmal gehört oder gelesen zu haben.
„Aber das war nicht in New York, nicht wahr?“
„Nein“, erwiderte Davilla nach einer kleinen Pause. „Vor ein paar Jahren war ich mit einer Truppe in England, mit dem Stück Die Bleichen … Jedenfalls, ich kenne Kate. Ihre Erregung wird sich wieder legen. Es ist ganz natürlich, daß sie sich von Ihrer Jugend und Ihrer Begabung etwas beunruhigt fühlt. Aber ich als Direktor muß darauf achten, daß sie ihre schauspielerischen Interessen nicht auf Ihre Kosten zu wahren sucht. Aber wenn ich etwas zu grob zu ihr gewesen sein sollte, so werde ich das wiedergutmachen. Nach der Probe spreche ich mit ihr. Und jetzt zu Ihnen.“
„Mr. Davilla!“
Ein kleiner, dicker Mann lief mit einem Tablett den Gang entlang. „Hoffentlich komme ich rechtzeitig!“
„Kommen Sie auf die Bühne, Mr. Wertheimer.“
Der Mann balancierte vorsichtig das Tablett, als er die Stufen zur Bühne hinaufstieg.
„Julie, das ist Mr. Wertheimer, unser Lebensmittelhändler“, sagte Davilla. „Sein Geschäft ist gleich um die Ecke, und er führt vorzügliche Delikatessen. Wenn Sie nett zu ihm sind, liefert er Ihnen alles ins Haus. Mr. Wertheimer, das ist Julie Wallace, meine neue Mieterin.“
„Oh?“ Mr. Wertheimer musterte Julie eingehend.
„Und sie ist mein neuer Star. Verwöhnen Sie sie also ganz besonders.“
„Das werde ich tun“, erwiderte Wertheimer lächelnd. „Heute habe ich Ihnen gebratenes Rindfleisch gebracht, selbst zubereitet.“ Er blickte Julie besorgt an. „Mögen Sie gebratenes Rindfleisch?“
„Es schmeckt sicher hervorragend“, sagte Julie.
„Vielleicht mögen Sie es doch nicht. Kosten Sie es, und wenn es Ihnen nicht schmeckt, bringe ich etwas anderes.“
Amüsiert kam Julie der Aufforderung nach und biß in ein mit Rindfleisch belegtes Sandwich. Das Fleisch war saftig und zart, aber es hatte einen seltsam scharfen Geschmack, und sie wußte nicht recht, ob es ihr schmeckte oder nicht. Aber als sie den erwartungsvollen Blick des dicken Mannes auf sich gerichtet sah, konnte sie nicht anders, als noch einmal abzubeißen und anerkennend zu lächeln.
„Exzellent, Mr. Wertheimer.“
„Na also. Nun essen Sie aber auch alles auf, sonst ist Mr. Wertheimer böse. Und wenn Sie etwas Besonderes wollen, wenden Sie sich nur an mich. Jetzt sind Sie ja eine von uns.“ Er machte eine Verbeugung und ging.
Julie lauschte den Worten nach, die noch in der Luft hingen, und ihr Puls raste.
„Ein reizender alter Bursche, nicht wahr?“
Julie rang nach Atem, und Davillas Stimme drang wie aus weiter Ferne zu ihr.
„Er ist ein Theaternarr. Und an Ihnen hat er sofort einen neuerlichen Narren gefressen. Ich übrigens auch. Sie waren großartig heute, Julie.“
„Das freut mich, Lou …“
„So, und jetzt essen Sie, und ich werde reden. Ihre Rolle ist sehr umfangreich, Julie, besonders im ersten und zweiten Akt. Ich möchte, daß wir so bald wie möglich ohne Skript proben können, also müssen Sie sich gewaltig anstrengen, um die Rolle auswendig zu lernen. Morgen möchte ich den ersten Akt in der Bewegung festsetzen, das heißt, daß Ihre Hände frei sein müssen. Danach, wenn Gesten und Gänge festgelegt sind, werden wir an die Vertiefung der Rollen gehen. Ich hoffe, Sie haben heute abend Zeit.“
„Nun, ich …“
„Oder haben Sie etwas vor?“
Was hatte er nur an sich, das sie so nervös und schüchtern machte wie ein fünfzehnjähriges Mädchen. Warum konnte sie ihm nicht ganz einfach sagen, daß sie für heute abend schon Pläne gemacht hatte?
„Ich wollte mich mit Mike treffen“, sagte sie zögernd.
„Ich verstehe.“
„Ich wußte nicht, daß Sie sich gleich so vehement in die Arbeit stürzen wollen.“
„Ich möchte jedenfalls nicht, daß es bei der morgigen Probe irgendwelche Verzögerungen gibt.“
„Nun, ich kann Mike ja anrufen und absagen.“
„Das würde ich sehr begrüßen, Julie. Übrigens, macht es Ihnen gar nichts aus,
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