0662 - Wächter der Knochengruft
ich Stiefel fürr mich und Handtasche fürr dich und paarr Gürrtel für uns und den Rrest wirr verrkaufen an Tourristen. Oderr lassen Alligatorr 'eil und stopfen aus Ungeheuerr, grrimmiges, verrkaufen an Museum oderr so. Eh?«
»Ach, halt die Klappe und laß mich mit deinem verdammten Gator in Ruhe«, murmelte Su.
Ihre Munition hatten sie inzwischen beinahe verschossen.
Aber ob es ratsam war, jetzt gleich wieder nach oben zu gehen? Dorthin, wo die anderen waren, die den Verschließ-Mechanismus des Schachtes kannten?
»Gut, krriegst du nix und ich behalte Stiefel und ’andtasche und Gürrtel und Tourristen und Museum fürr mich selbst«, unterbrach Esteban ihre Gedanken mit seinem Nonsens.
»Sei endlich still«, fuhr Su ihn ungeduldig an, »oder ich jage dir meine letzte Kugel in die Erbse, die du Gehirn nennst!«
Esteban räusperte sich, blieb jetzt aber still.
Sie überlegte. Nach oben, draußen - oder weiter nach unten vorstoßen, um den anderen auf jeden Fall zuvorzukommen, die bestimmt in Kürze mit Verstärkung oder besserer Ausrüstung zurückkehrten? Su bedauerte, daß sie kaum mehr von ihnen gesehen hatte als Schatten. Bei dieser miesen Beleuchtung hier unten… und daß die Fremden nicht zurückgeschossen hatten, gab ihr noch mehr zu denken.
Dieses trübe Funzel-Licht… woher kam es?
Es waren keine Leuchtkörper zu sehen. Keine Fackeln, keine Kerzen, keine Petroleumlampen, keine Glühbirnen… nur dieses diffuse Dämmerlicht, das es eigentlich gar nicht geben konnte. Woher kam es?
Und Schatten warf auch keiner von ihnen…
Jetzt erst registrierte Su das. Bisher war es ihr überhaupt nicht aufgefallen, weil das Licht viel zu schwach war. Aber nun, bei genauem, konzentrierten Hinsehen, erkannte sie, daß das vorhandene Licht schattenlos war. Und sie beide, aber auch der jetzt tote Alligator, wirkten durch dieses Fehlen von Schatten irgendwie zweidimensional…
»Raus hier«, murmelte Su, der die ganze Sache von Minute zu Minute immer unheimlicher wurde. Lieber mit einem menschlichen Gegner kämpfen, als hier unten zu bleiben, wo gespenstische Zustände herrschten.
»Raus hier, schnell!«
Etwas in ihr begehrte dagegen auf. Der Wille eines Magiers. Aber der Überlebenstrieb war stärker.
***
Franco fühlte ein seltsames fading. Es dauerte eine Weile, bis er begriff, worum es sich handelte - er verlor immer mehr die Kontrolle über die Menschen, die er unter seinen Willen gezwungen hatte.
Unwillkürlich wartete er darauf, daß sich sein Mentor wieder meldete und etwas dazu sagte - beziehungsweise die lautlose Stimme in ihm, die die von Astaroth sein mußte.
Aber Astaroth schwieg.
Holt mir, was der Plan verspricht, den ihr mir - mit meiner Erlaubnis -entwendet habt, dachte Franco.
Aber sie würden es ihm nicht mehr holen.
Sie entglitten seiner Kontrolle.
Astaroth würde enttäuscht sein.
***
»Die Patientin heißt Mary-Ann Cantor«, las Dr. Severin vom Krankenblatt ab, das auf einem Bord über dem Kopfende des Bettes gelegen hatte. »Sie erlitt bei dem Verkehrsunfall Frakturen an Unterschenkeln und Hüfte, zahlreiche Prellungen und ein Schleudertrauma. Schon allein deshalb ist es nicht gut, wenn Sie sie jetzt schon verhören wollen. Außerdem hat sie…« Er wollte noch mehr hinzufügen, aber Sheriff Bancroft stoppte ihn mit einer schnellen Handbewegung.
»Es ist kein Verhör«, sagte er. »Nur ein Gespräch.«
Nicole beugte sich über die junge Frau, die zu schlafen schien. Neben ihr ragte das Gestell mit der Infusionsflasche auf, die über einen Schlauch mit der Hand der Patientin verbunden war und kreislauf stabilisierende und beruhigende Mittel direkt in ihre Blutbahn brachte.
»Mary-Ann?« fragte Nicole leise und strich mit der Hand über die Stirn der Unfallpatientin. »Sind Sie wach? Können Sie mich hören?«
»Außerdem hat sie derzeit ein nur eingeschränktes Sprachvermögen und zudem eine Verletzung der Wirbelsäule«, fuhr Dr. Severin leise fort. »Sie wird den Rest ihres Lebens wohl im Rollstuhl zubringen müssen…«
»Wer sind Sie?« flüsterte Mary-Ann Cantor leise, aber überraschend klar; ihre Augen blieben dabei geschlossen.
»Mein Name ist Nicole Duval. Mary-Ann, können Sie mich ansehen? Bitte, öffnen Sie die Augen und sehen Sie mich an.«
Die Patientin schüttelte langsam den Kopf. »Nein«, sagte sie, schon etwas lauter. »Was wollen Sie von mir? Was haben Sie da? Es - es stört! Nehmen Sie es weg!«
Dabei tastete sie nach dem Amulett, das Nicole zwischen
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