0664 - Tunnel durch die Zeit
auftat, ein Gebilde, das keine geometrischen Dimensionen besaß, sondern nur die eine Dimension der Zeit.
Der Zeittunnel dehnte sich von der Basisblase in die Zukunft aus. Er schillerte in allen Farben des Spektrums, da er nur ein provisorisches „Gebilde" war. Die Farbverteilung änderte sich laufend, und die Außenhüllen der einfliegenden Raumschiffe spiegelten dieses Lichterspiel wider.
Leticron beobachtete das Farbenspiel mit gemischten Gefühlen.
Er wußte zu wenig über die Phänomene, die sich bei Zeitverschiebungen einstellten, als daß es ihm möglich gewesen wäre, völlig gelassen zu bleiben. So mußte er sich beispielsweise immer wieder zwingen, gegen die Illusion einer räumlichen Ausdehnung und einer räumlich meßbaren Fortbewegung anzukämpfen! die durch die optischen Eindrücke hervorgerufen wurde.
Erschwert wurde die Bekämpfung dieser Illusionen durch die Tatsache, daß sich die Raumschiffe tatsächlich bewegten und daß diese Bewegung von den Meßgeräten registriert wurde.
Dennoch wußte Leticron, daß diese Bewegung nicht eine Bewegung im Raum, sondern in der Zeit war.
„Wir werden bald das Ende des Zeittunnels erreichen, Erster Hetran", meldete der larische Kommandant des vorderen SVE-Raumers. Leticron war mit seinem Flaggschiff vorsichtshalber am Ende des Verbandes geblieben. „Sollen wir stoppen?"
„Nein!" entschied Leticron. „Fliegen Sie langsam weiter!
Versuchen Sie, ein Stück über das Ende des Tunnels zu kommen!"
„Die Distanzen werden hier nicht nach Längenmaßen, sondern nach Zeitmaßen gemessen, Erster Hetran", wandte der Lare ein.
„Deshalb können wir keine Nanosekunde weiter fliegen, als der Tunnel reicht."
„Versuchen Sie es trotzdem!" befahl Leticron. „Beschleunigen Sie dabei mit Maximalwerten!"
Der larische Schiffskommandant sagte nichts mehr. Auf den Orterschirmen konnte Leticron jedoch sehen, wie die Spitzengruppe Fahrt aufnahm. Innerhalb des Zeittunnels war eine Beschleunigung mit den Impulstriebwerken durchaus möglich, obwohl sie sonst nicht zur Fahrt durch die Zeitdimension taugten.
„Sollen wir auch beschleunigen, Leticron?" fragte Jacaran, der neben dem Kommandanten des Flaggschiffs saß.
„Auf keinen Fall", antwortete Leticron. „Es ist völlig unwesentlich, was mit den Laren in den ersten Raumschiffen geschieht, aber es ist nicht unwesentlich, was mit uns geschieht."
„Ja, Herr", sagte der Kommandant.
Jacaran kicherte.
„Gleich erreicht das erste Schiff das Ende des Tunnels", meinte er. „Ich bin gespannt darauf, was geschehen wird."
„Ich auch", bemerkte Leticron.
Er ließ eine Vergrößerungsschaltung auf den Frontschirm der Kommandozentrale legen, so daß er vom ersten Schiff nicht nur den grünen Ortungsreflex sah, sondern das Schiff selbst.
Der SVE-Raumer erreichte das Ende des Zeittunnels wenige Sekunden später, eine energetische Konstruktion, die hell wie eine angestrahlte Seifenblase leuchtete.
Plötzlich verblaßte das Leuchten. Es war, als würde die Stromzufuhr einer kugelförmigen Lampe stufenlos zurückgeschaltet, bis es völlig dunkel wurde.
„Kein optischer Kontakt mehr", meldete ein Überschwerer.
„Auch keine ortungstechnische Erfassung mehr möglich", meldete ein anderer Überschwerer aus der Ortungszentrale. „Es scheint, als wäre der SVE-Raumer verschwunden."
Leticron schaltete den Hyperkom ein.
„Erster Hetran an den Kommandanten des zweiten SVE-Raumers!" sagte er. „Wissen Sie, was mit dem ersten Schiff geschehen ist?"
„Nein, Erster Hetran", kam die Antwort. „Das Verschwinden ist uns unerklärlich. Ich bitte um Haltebefehl, da ein weiteres Vordringen offensichtlich gefährlich ist."
„Stoppen Sie die Maschinen!" befahl Leticron. „Vielleicht geschieht nichts, wenn das Schiff antriebslos über das Ende des Zeittunnels hinaus fliegt. Wir müssen unbedingt in Erfahrung bringen, wie weit ein Raumschiff ohne Zeittunnel, allein durch den temporalen Schwung, in die Zukunft vordringen kann."
„Ich halte das Vorhaben für zu gefährlich", entgegnete der Lare.
„Dennoch gehorche ich Ihrem Befehl, weil das Schiff dem Ende des Tunnels inzwischen zu nahe gekommen ist, als daß wir es noch davor abstoppen könnten. Ich hoffe, das Experiment bringt wenigstens einen kleinen Nutzen."
„Danke", erwiderte Leticron. „Ihre Haltung ist korrekt. Ich hoffe ebenfalls auf nützliche Ergebnisse. Sollten Sie nicht zurückkehren, wünsche ich Ihnen und Ihrer Mannschaft viel Glück - in dieser oder einer
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