0665 - Vampirstadt Berlin
gesehen. Er hockte doch hinter dem Glas.«
Suko gestattete sich ein Lächeln. »Eine Frage, mein Freund. Kennst du alle Tricks, die dieser angebliche Arzt auf Lager hat? Bist du informiert?«
»Nein, ich glaube nicht.«
»Eben.«
Harry wischte über seine Augen. »Und die anderen?« fragte er leise. »Was ist wohl mit denen?«
»Das kann ich dir nicht sagen. Allerdings können wir davon ausgehen, daß sie nicht gebissen werden. Sie sind dazu ausersehen, die Blutspritzen zu bekommen. Unser Freund Sheldon Drake arbeitete nach zwei Methoden. Einmal nach der klassischen und zum anderen nach einer modernen. Man spritzt einen Menschen zum Vampir. Dazu hat er von Dracula II etwas Flüssigkeit aus dem Blutstein bekommen.« Suko hob die Schultern. »Auch Vampire haben Ideen.«
»Ja«, flüsterte Harry und nickte, »das merke ich. Das ist verrückt. Jetzt muß ich eine rauchen.«
Er holte aus der Tasche eine schmale Blechschachtel hervor. In ihr lagen die schmalen Zigarillos dicht beisammen. Seine Finger bebten, als er sich ein Stäbchen zwischen die Lippen steckte und es anzündete. Die ersten blaugrauen Rauchwolken drangen in den feuchten Mief des Hauses, der überall zu spüren war. Ob unten oder oben. Es roch nach Alter, nach Verwesung und nach Blut, denn dieses alte Haus am Stadtrand von Wittenberg gehörte einem Vampir, der Dr. Sheldon Drake hieß und aus England gekommen war.
Diesen Vampir jagten Suko und Harry Stahl. Auch John Sinclair war hinter ihm hergewesen, doch der Geisterjäger war zurück in Berlin geblieben, um dort die Spur von Nadine Berger aufzunehmen, damit er es möglicherweise schaffte, sie von ihrem Vampirdasein zu erlösen.
Suko war nach Wittenberg gefahren, hatte sich dort mit Harry Stahl getroffen, durch den sie erst herausgefunden hatten, wo das Versteck des Dr. Sheldon lag, und war mit dem Kommissar und dem uniformierten Kollegen Gerd Naumann zu Dr. Drakes Haus gefahren.
Suko und Harry Stahl hatten das Haus durchsucht und auch die Menschen gesehen, die schon zweimal die Vampirspritze bekommen hatten. Sie sahen schrecklich aus, waren bleiche Gestalten und gierten nach der dritten Spritze. Erst dann gehörten sie zu den Untoten.
Auch Dr. Drake, dem Vampir, hatten die beiden Männer gegenübergestanden. Leider getrennt durch eine schußsichere Glasscheibe. So hatten die beiden das Nachsehen gehabt.
»Er ist noch hier!« flüsterte Harry, »er ist noch hier. Ich spüre es genau.«
»Ja, das Haus ist groß genug. Ich meine, daß du deinen Torpedo austreten solltest. Wir wollen uns mal umschauen.«
»Entschuldige, natürlich.« Stahl schüttelte den Kopf. »Es ist nicht einfach für mich gewesen, weißt du. Ich habe zum erstenmal einen Vampir gesehen. Drake konnte uns nichts anhaben, aber als dieser Naumann mich überfiel, habe ich gedacht, mein letztes Stündlein hätte geschlagen. Das… das ging so schnell, daß ich überhaupt nichts mitbekam…«, er winkte ab, warf den Rest zu Boden und trat ihn aus. »Habe ich mich schon bei dir bedankt, Suko?«
»Wofür?«
»Du hast mir das Leben gerettet.«
»Ach je, vergiß es.«
»Nein, nein, das ist…«
»Bitte, Harry, ich meine es ehrlich. So etwas gehört dazu, meine ich. Was meinst du, wie oft John Sinclair mich oder ich ihn aus der Patsche gezogen hat?«
»Ja, das kann ich mir denken.«
»Okay, vergiß Gerd Naumann. Es ist besser für ihn, daß er nun endgültig erlöst ist. Sein Dasein als Vampir wäre furchtbar gewesen. Er wäre immer auf der Suche nach Blut gewesen, und er hätte auch genügend Opfer gefunden, davon kannst du ausgehen.«
»Einer reicht, nicht?«
»Ja, einer reicht aus, um eine Stadt wie Wittenberg in die Hölle zu stürzen.«
Der Kommissar schaute noch einmal auf die Gestalt, die reglos am Boden lag. Mit einem leichten Schaudern drehte er sich uni, atmete tief ein und schaute in die dämmrige Schwärze der Halle. Die leeren Sessel standen dort wie stumme Zeugen. Sie waren möglicherweise dazu ausersehen, die Blutsauger aufzunehmen. Es machte sich gut, wie sie in den Möbelstücken hockten und darauf warteten, daß potentielle Opfer das Haus betraten.
Suko dachte praktischer. Er ging davon aus, daß Dr. Drake so handelte wie fast alle Vampire.
Das Versteck dort suchen, wo möglichst keine Helligkeit hindrang.
Das war eben der Keller.
Bevor Harry bei ihm war, hatte Suko bereits mehrere Türen geöffnet, und in leere Zimmer geschaut.
Überall hatte sich die Feuchtigkeit einnisten können, und an den Wänden
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