0671 - Killer-Kobolde
ins Gesicht. Zudem war es kälter geworden, doch für diese Jahreszeit noch immer zu warm. Normalerweise hätte hier Schnee liegen müssen. Geschneit hatte es im letzten Monat, die Wärme aber hatte das Zeug tauen lassen. Dafür waren der Wind und der Regen gekommen.
Sie fuhr einen Ford Fiesta, der neben einigen anderen Fahrzeugen parkte. Eine Straße hatte es eigentlich nicht gegeben. Die Baukolonne war ziemlich brutal gewesen. Sie hatten sich einen Weg durch die Natur gebahnt. Den schweren Reifen der Transporter hatte nichts widerstehen können. Sie waren wie eine Walze gewesen, die alles niedermachte, was sich ihnen in den Weg stellte.
Von diesem Eingriff in die Natur profitierten die kleineren Fahrzeuge. Sie benutzten den Weg als Straße, die nach Redmoor führte, auch wenn sie nicht eben gut befahrbar war.
Den Friesennerz schleuderte Kitty auf den Beifahrersitz, nahm hinter dem Lenkrad Platz und preßte für eine Weile beide Hände gegen ihr Gesicht. Irgendwo fühlte sie sich erschöpft, eingeengt. Der verfluchte Tag war ihr wieder sehr lang vorgekommen, hinzu kam die veränderte Kostenberechnung, die eigentlich nur Frust hatte hinterlassen können und kein vernünftiges Arbeiten mehr möglich machte. In ihren Ohren klangen bereits die Vorwürfe, die sie sich bald anzuhören hatte.
Vor der Scheibe bewegte sich die Landschaft. Immer wieder rauschte der Wind heran und fuhr wie mit gespreizten unsichtbaren Händen zwischen die Büsche und die niedrigen Bäume. Er schüttelte alles durch und kämmte das Gras so stark, daß es mit seinen Spitzen fast den Erdboden berührte.
Zwei Arbeiter passierten den Ford, schauten hinein und grinsten Kitty zu.
Sie lächelte zurück, als sie den Zündschlüssel drehte. Auf den Motor konnte sie sich immer verlassen. Er sprang sofort an.
Kitty Sutton fuhr rückwärts. Am Himmel spielte sich ein gewaltiges Schauspiel ab. Wolken und Wind trugen für die ständig wechselnden Bilder die Verantwortung. Manchmal schimmerte dazwischen auch eine hellblaue Fläche.
Kitty wunderte sich, daß sie gerade in diesen Augenblicken an die zahlreichen Geschichten dachte, die sie über den Hügel gehört hatte. Von den Einheimischen wurde er noch The Gump genannt. In der Sagen- und Legendenwelt des Landes Cornwall war er etwas Besonderes, denn sein Inneres sollte ein ungewöhnliches Volk beherbergen, das aus Kobolden bestand, die man nicht ärgern oder reizen durfte. Denn sie waren die Hüter des Hügels, des Schatzes, der ebenfalls in den Tiefen liegen sollte. Sogar einen Friedhof der Spriggans sollte es auf dem Hügel geben. Was daran Dichtung und Wahrheit war, hatte Kitty bisher nicht herausgefunden, denn die Bewohner von Redmoor sprachen sich Fremden gegenüber kaum aus.
Die Reifen des Wagens durchfurchten die weiche Erde. Im Licht der Scheinwerfer sah Kitty Sutton genau, wo sie herzufahren hatte. Die breiten Reifen hatten die entsprechenden Spuren hinterlassen.
Ihre Profile waren tief eingefräst.
Geradeaus führte der Weg nicht. In Kehren wand er sich dem Ort entgegen, und schon bald waren die hellen Lichter der Baustelle hinter Kitty verschwunden.
Sie rollte auf Redmoor zu.
Noch konnte sie den Ort nicht sehen. Buschwerk nahm ihr die Sicht. Der Wagen schaukelte, manchmal kratzten auch die Zweige über die Karosserie wie starre Finger.
Bisher hatte Kitty keinerlei Schwierigkeiten gehabt, dem Ort entgegenzufahren. Was ihr erzählt worden war, waren Geschichten und würden es auch bleiben.
Oder?
Kitty ging noch mehr vom Gas. Sie wischte sich dabei über die Augen und hielt das Lenkrad nur mit einer Hand. Nicht so einfach bei dem unebenen Untergrund.
Zuerst glaubte sie an eine Täuschung, denn wie sonst sollte wohl das ungewöhnliche Licht zu erklären sein, das vor ihr einen Schleier über den Boden gelegt hatte, wobei sie die Quelle nicht erkennen konnte, denn es gab keine Lichtquellen.
Es war eine bestimmte Helligkeit, eine funkelnde Fläche aus Licht, die einfach da war und aus der Erde zu stammen schien.
Da blitzte und irrlichterte es. Hell, bläulich, manchmal auch rötlich, dann wieder weiß. Dies alles mischte sich zu einem Spektrum zusammen, das so wirkte, als wären zahlreiche Diamanten in die Strahlen hineingestreut worden.
Kitty kam damit nicht zurecht.
Ihr fielen die Erzählungen der Dorfbewohner ein. Sie hatten oft über den Hügel gesprochen und natürlich auch über dessen großes Geheimnis, das in seinem Innern steckte.
Sollten die Geschichten stimmen?
Kitty
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