0672 - Das teuflische Ultimatum
Baßstimme. »Ich habe dir meine Decke überlassen, sonst wärst du erfroren!«
Die Stimme erreichte ihn von links. Suko schaute hin, sah zunächst nichts, bis plötzlich die kleine Flamme eines Feuerzeugs aufflackerte und ein Gesicht aus der Finsternis holte.
Ein Schlapphut gegen die Kälte, ein wilder Bart, ein Mann in einen dicken Mantel gehüllt, an dem der Schmutz der Jahre klebte. Ein Stadtstreicher hatte ihn zu sich in seinen Winkel gezogen und hob eine Flasche an.
»Auch einen Schluck?«
»N… nein…«, bibberte Suko, der Schüttelfrost bekommen hatte.
»Ist eine schlechte Zeit, um zu baden«, sagte der Mann. »Eine verdammt schlechte.«
»Danke«, sagte Suko.
»Wofür?«
»Dafür, daß du mich rausgeholt hast, Partner.«
Der Stromer trank einen Schluck von seinem Gesöff und mußte kratzig lachen. »Aber das war doch nicht ich.«
»Wieso? Wer dann?«
»Drei Taucher!«
»Was?«
»Kannst mir glauben, Partner. Die haben dich gerettet und schleppten dich an Land. Da ließen sie dich liegen. Ich habe dich dann hier in Deckung gezogen. Das ist der Eingang zu einem alten Fabrikschacht. Es dringt noch immer etwas warme Luft hervor, sonst wärst du schon zu Eis geworden. Ich habe hier mein ›Zuhause‹.«
Suko holte tief Luft. Er wollte etwas sagen, seine Stimme versagte, denn er mußte über die Worte des Mannes erst nachdenken. Was der Mann ihm gesagt hatte, klang unwahrscheinlich. Er sah darin keinen Sinn. Und wieso drei Taucher?
»Denk mal nach, Partner.«
»Ja, das tue ich auch.«
Allmählich kehrte bei Suko die Erinnerung zurück. Er dachte an die Vorgänge auf der Brücke, die er ebenfalls auf keinen Nenner hatte bringen können. Dann der Sturz ins eisige Wasser, die Umklammerung seiner Beine…
Taucher?
»Na, was ist?«
Suko schüttelte den Kopf. »Hast du richtig gesehen? Waren es tatsächlich Taucher?«
»Die kenne ich doch. Sie trugen die schwarzen Anzüge. Du weißt schon. Sie schleppten dich an Land.« Es gluckerte, als er trank. »Komisch, die hätten dich auch ins Warme schaffen können, wenn sie dich schon vor dem Ertrinken retteten. Wolltest du Schluß machen mit dem beschissenen Leben, Bruder?«
»Nein, nicht direkt.«
»Ist auch egal. Jedenfalls lebst du. Wenn du aber willst, kannst du wieder einsteigen.«
»Darauf möchte ich doch verzichten.«
Der Stromer lachte. »Kann ich mir denken. Aber diese Nacht kannst du bleiben.«
»Danke, das ist sehr nett, aber ich möchte trotzdem weg.« Suko fing an, sich aus der schmutzigen Decke zu wickeln, die nach Hund und Urin roch.
Die Kleidung klebte noch feucht an seinem Körper. Suko hatte den Eindruck, daß zwischen seiner Haut und der Kleidung noch kleine Eiskrümel klebten.
Der Stromer schaute ihm nickend zu. »Da hast du dir ja einiges vorgenommen, mein Junge.«
»Na ja, ich muß mich noch bedanken.«
»War selbstverständlich, Partner.«
»Klar, bei dir auch. Aber es gibt da einige andere Freunde, denen ich meinen Dank abstatten möchte.«
»Verstehe, Bruder. Die ungewöhnlichen Retter.«
»Genau.« Suko hatte bisher gelegen. Jetzt unternahm er den Versuch, sich hinzusetzen. Er war steif bis in den letzten Knochen.
Bewegen konnte er sich, das war immerhin etwas. Er mußte es auch tun, denn sein Kreislauf war so gut wie nicht vorhanden, und er hatte auch den Eindruck, von einer plötzlichen Welle überschwemmt zu werden, die ihn in seiner sitzenden Haltung schwanken ließ.
Der Stromer beachtete ihn mit Skepsis. Er hockte auf einem alten Kissen, dessen rechte Seite aufgerissen war. Dort quoll so etwas wie Putzwolle hervor.
»Ja, beweg dich mal, Bruder, sonst frierst du hier fest, und ich habe den Ärger mit der Leiche.«
»Da hast du recht. Leichen bringen nur Ärger. Ich kenne mich da etwas aus.«
»Ach ja?«
»Sicher.« Suko gab sich Schwung, die Decke hinderte ihn nicht mehr, dann stand er, knickte aber sofort wieder ein und hatte Mühe, überhaupt stehen zu bleiben, wobei er sich noch mit der rechten Hand abstützen mußte.
Der Stromer beobachtete ihn grinsend. »Bißchen wacklig, wie?«
»Kann man wohl sagen.« Im Stehen versuchte Suko, seine Beine zu bewegen. Es gelang ihm nicht, sie auszuschütteln, sie waren zu steif.
Der Stromer nickte und pfiff seinen Hund heran, der sich neben ihn hockte. »Ich hatte das auch mal. Da haben mich Bullen ins Wasser geworfen, weil ich im Weg war. Hat lange gedauert, bis ich mich wieder wohl fühlte.«
Suko grinste schief. »Kannst du dir vorstellen, daß ich ein Bulle
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