0672 - Schwingen des Todes
Feindschaft nie gewollt.
Bestimmt hatte er hunderttausende von Söhnen und Töchtern überall auf der Welt und in allen Zeiten. Vermutlich kannte er ihre Namen nicht einmal. Aber Roberto war für ihn immer etwas ganz Besonderes gewesen, eine Ausnahmeerscheinung.
Dieses Besondere gab es nun nicht mehr.
Zamorra trauerte selbst ebenfalls. Er hatte einen Freund verloren. Befürchtet hatte er es seit dem Moment, als er mit dem Hubschrauber über dem Camp geschwebt hatte. Diese Exkursion hatte nun die Sicherheit gebracht.
Aber ihm fiel nichts ein, was er dazu sagen konnte. Er konnte Sid Amos -Asmodis - nur in seinem Schmerz allein lassen.
Er sah Säuretränen, die aus den Augen des Ex-Teufels rannen, schwarze dampfende Spuren in seinem Gesicht hinterließen. Die Tränen verschwanden, die Spuren auch.
»Kehren wir zurück«, sagte Amos leise.
»Und sehen wir zu, daß wir Angelique finden und vom Vampirkeim befreien«, hakte Yves Cascal sofort ein. »Und diesen verfluchten Blutsauger Tan Morano umbringen!«
Nebeneinander traten sie zwischen die Regenbogenblumen. Es war Amos' Aufgabe, sie in ihre Gegenwart zurückzubringen.
Er tat es auch.
Sie hatten keine Zeit verloren, keine Sekunde - als Zamorra zwischen den Regenbogenblumen wieder hervortrat und sich rasch umsah, glaubte er, sich, Amos und Ombre gerade noch verschwinden zu sehen auf dem Weg in die Vergangenheit. Schatten, die blitzschnell verblaßten.
»Ihr werdet das allein tun müssen«, sagte Sid Amos.
Einen Moment lang begriff Zamorra nicht, was der Ex-Teufel meinte. Dann wurde ihm klar, daß er sich auf Ombres Bemerkung bezog.
»Moment mal!« fuhr dieser jetzt auf. »Wir haben eine Abmachung, du Ungeheuer! Ich habe euch geholfen, jetzt helft ihr mir!«
»Ich kann es nicht«, sagte Amos. »Nicht jetzt…«
»Du wirst können müssen, verdammter Hund!« knurrte Yves und zog wieder die Waffe. Nach Zamorras Dafürhalten kam dieser Reflexgriff inzwischen viel zu häufig - Ombre hatte sich enorm verändert, seit sein Bruder Maurice ermordet worden war. Und diese Veränderung war nicht unbedingt zu Yves Cascals Vorteil Früher hatte er auf Waffen immer verzichtet.
»Du wirst es tun, oder ich schieße dir«
»Es reicht, Ombre«, sagte Zamorra. »Laß ihn gehen. Wir beide kriegen das auch allein hin. Du fürchtest, deine Schwester zu verlieren, aber er hat seinen Sohn verloren. Laß ihn.«
Amos rotierte und verschwand in einer neuerlichen Schwefelwolke.
Zamorra sah: Für den Bruchteil einer Sekunde schien die Rotation zu stoppen, und Asmodis blickte Zamorra dabei direkt an. Seine Augen waren feucht; in ihnen lag ein eigentümlicher Ausdruck von Dankbarkeit, wie Zamorra ihn von Sid Amos eigentlich gar nicht erwartet hatte. Zugleich flog etwas aus den Augen heraus, als Amos sich weiterdrehte - und Zamorra fing es mit der Hand auf.
Zwei Tränen.
Diesmal nicht brennend wie Salzsäure, sondern steinhart und eiskalt. Zwei Teufelstränen in Zamorras Hand.
Er sah sie erstaunt an, dann ließ er sie in einer Tasche verschwinden.
»Verschwinden wir«, sagte er zu Yves, der davon offenbar nichts bemerkt hatte. »Zurück nach Baton Rouge.«
Sie konnten die Regenbogenblumen benutzen. Im Gegensatz zu Asmodis wurden sie von den abgeschirmten Blumen in Cascals Hinterhof nicht abgewehrt.
Yves öffnete das Schloß, damit sie den abgezäunten Bereich verlassen konnten. Zamorra sah zum Nachthimmel hinauf und dachte an Sid Amos.
Zum ersten Mal war ihm dieser Dämon wirklich menschlich erschienen.
***
Es war wie ein rasender Wirbel; etwas, das Angelique Cascal noch nie zuvor erlebt hatte. Stygia teleportierte sie an einen anderen Ort, an welchem die Vampirin der Fürstin der Finsternis einen Gefallen tun sollte.
Die Dämonin selbst zeigte sich dabei nicht vor Ort, machte den Teleport nicht mit.
Angelique erschien allein.
Vor sich sah sie einen Mann.
Sie hatte ihn schon einmal gesehen. Auf der Straße vor dem Haus. Den Mann, der geschossen hatte. Der auf sie geschossen hatte! Der ihre Haustür belauert hatte Yves' Feind!
Ihr Feind!
Zum Greifen nahe vor ihr, und sie tat Stygia diesen Gefallen nur zu gern! Sie sprang den von ihrem plötzlichen Erscheinen völlig überraschten Mann an, und noch ehe er begriff, was mit ihm geschah, war sie bereits über ihm und schlug ihre Vampirzähne in seinen Hals, um sein Blut zu trinken.
Und alles wurde gut!
Der entsetzliche, grauenhafte Durst, der sie wochenlang gequält hatte, wurde endlich gestillt. Eine unendlich tiefe
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