0675 - Der Geist von Château Montagne
praktizierte zwar die Weiße Magie, aber sie in Frage zu stellen, wie es hier erforderlich wurde, überstieg sein Können. Er mußte sich recht vorsichtig an die Sache herantasten, wahrscheinlich zuerst einmal seine eigene Position klären und dann in Bezug auf das Haus und seinen Besitzer bringen.
Hier fehlte ihm die Erfahrung.
Er schüttelte den Kopf und schloß den Koffer wieder. Er mußte es anders anfangen.
Er nahm das Amulett zu Hilfe.
Er aktivierte die Zeitschau.
Daß Luc Avenge das Haus verlassen hatte, lag noch nicht lange zurück.
Zamorra wollte ihn dabei »rückwärts« beobachten und auch herausfinden, was mit diesem Haus geschah. Die Zeitschau würde es ihm zeigen.
Wie aus einer von Spinnen und Ratten bewohnten Ruine ein schönes Haus wurde und umgekehrt.
Zamorra versetzte sein Blickfeld mit der Zeitschau in die jüngste Vergangenheit…
***
Der Renault Nevada jagte die Straße nach Feurs entlang. Nicole lehnte sich auf dem Beifahrersitz zurück und versuchte sich zu entspannen.
»Warum trinkst du eigentlich fast nie Alkohol, wenn du ›zum Teufel‹ gehst?« fragte sie.
Pascal Lafitte zuckte mit den Schultern.
»Zu teuer«, sagte er. »Außerdem -warum sollte ich mich wie die anderen betrinken? Ich habe eine wunderbare Frau und zwei prachtvolle Kinder. Die möchte ich in jeder Sekunde meines Lebens genießen können - nüchtern, nicht vom Alkohol verschleiert. Warum habt ihr eigentlich keine Kinder? Ihr seid zwar nicht verheiratet, aber ihr lebt doch seit Ewigkeiten zusammen, ihr liebt euch und wollt immer zusammenbleiben.«
Nicole lächelte verloren.
»Wir wären zu erpressbar«, sagte sie leise. »Erinnerst du dich daran, daß Dämonen versucht haben, Rhett zu entführen? Ich möchte nicht, daß mir so etwas passiert. Es ist schlimm genug, zu erleben, wenn es Freundinnen wie Patricia Saris geschieht. Trotz aller Sicherheitsvorkehrungen, die wir alle getroffen haben, um so etwas zu verhindern. Ich will das nicht. Ich weiß nicht, ob ich es ertragen könnte.«
»Du bist stärker als Patricia«, behauptete Lafitte. »Du würdest es eher verkraften.«
»Aber würde mein Kind es verkraften?« erwiderte Nicole. »Das ist doch noch wichtiger.«
»Rhett hat es verkraftet.«
»Vielleicht…«
»Bestimmt«, sagte Lafitte. »Hör zu, unsere Kinder und Rhett sind doch ständig zusammen. Ich wüßte es, wenn's anders wäre! Rhett ist darüber hinweg. Das einzige, woran er noch knabbert, ist Raffaels Tod. Der Junge ist längst zu schlau für sein Alter; er ahnt, daß er schuld daran ist. Er hat diesen verdammten Frostmagiekristall anfassen wollen, und Raffael hat ihn ihm weggeschnappt und ist an der Berührung schließlich gestorben. Der Junge weiß das.«
»Da hast du wahrscheinlich recht«, sagte Nicole leise. »Daran werden wir wohl eine Weile arbeiten müssen. Aber das hat nichts mit dem Thema Kinder an sich zu tun. Wir wollen einfach nicht. - Noch nicht«, fügte sie hinzu.
Lafitte runzelte die Stirn.
»Erinnerst du dich? Zamorra und ich sind unsterblich«, fuhr sie fort. »Wir können höchstens durch Gewalteinwirkung sterben. Nicht durch Krankheit oder Alterung. Wir altern einfach nicht. Wenn es niemand schafft, uns umzubringen, werden wir vielleicht das Ende des Universums erleben und dabei noch so jung sein wie jetzt. Der Preis dafür ist der ständige Kampf, das ständige Risiko. Im Endeffekt werden wir vielleicht weniger Zeit für uns beide haben, für ein Privatleben haben, als es bei jedem anderen Menschen der Fall ist. Aber wir gehören nun mal zu den wenigen ›Unsterblichen‹, und das heißt, daß wir uns mit dem Nachwuchs Zeit lassen können. Vielleicht werden wir in zehn Jahren, in hundert oder in tausend Jahren Kinder haben. Wir haben doch alle Zeit der Welt!«
»Und werdet geistig irgendwann so alt sein, daß ihr eure Kinder nicht mehr verstehen könnt«, warnte Pascal.
»Abenteuer halten jung«, erwiderte Nicole. »Brems mal.«
»Warum?«
»Bremsen!« schrie sie ihn an. »Da liegt was! -Auf der Straße…«
Da trat er das Pedal voll durch. Jetzt erst sah er, was Nicole trotz ihrer Glühweine schon vor ihm registriert hatte; das Licht der Scheinwerfer erfaßte ein unförmiges Etwas, das am Straßenrand lag und halb auf die Fahrbahn ragte.
Der Renault stoppte.
Im Schritttempo brachte Lafitte ihn dann an den reglosen, unförmigen Körper heran.
Nicole sprang aus dem Wagen und lief hinüber.
»Fooly«, stieß sie hervor. »Verdammt - er ist schwer verletzt! Pascal,
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