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0676 - Die Höhle des Grauens

0676 - Die Höhle des Grauens

Titel: 0676 - Die Höhle des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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lösen.
    »Ich bin wohl eingeschlafen«, sagte er entschuldigend, als er neben ihr stand.
    Sie nickte. »Das ist nicht schlimm. Ich habe dich ja rechtzeitig gefunden.«
    Gemeinsam verließen sie den kleinen Weg und traten auf eine große staubige Straße. Zamorras Schritte wurden langsamer, als er die Ochsenkarren und Kamele sah, die sie bevölkerten. Die hektische Geschäftigkeit stand in krassem Gegensatz zur Ruhe des Parks. Er war (immer noch, dachte er fragend) in China, aber nicht mehr in der Gegenwart - obwohl er nicht sagen konnte, wieso er das wußte. Die Landschaft erschien ihm falsch und ab und zu glaubte er zu sehen, wie sie ähnlich einem doppelt belichteten Negativ am Rande seiner Wahrnehmung von einem riesigen staubigen Krater überlagert wurde.
    Einige Bauern gingen an ihm vorbei und verneigten sich respektvoll.
    »Guten Tag, Zauberer«, sagte einer von ihnen.
    Zamorra nickte ihm freundlich zu. In Gedanken setzte er das erste Teil des Puzzles an seinen richtigen Platz. Er war also ein Zauberer an diesem Ort. Zumindest war das ein Beruf, in dem er sich auskannte und nicht befürchten mußte, sich bei der ersten Gelegenheit bis auf die Knochen zu blamieren. Als Fischer oder Bauer wäre das schon anders gewesen…
    Seine Gedanken stockten. Ihm wurde bewußt, daß seine Erinnerung an das Leben vor dem Moment, als er im Park erwacht war, mehr als nur verschwommen war. Sie war außer diesen Fetzen, die immer wieder an die Oberfläche traten, so gut wie nicht vorhanden. Er bezweifelte, daß er seinen eigenen Namen gekannt hätte, wenn die unbekannte Frau ihn nicht gerufen hätte.
    Zamorra konzentrierte sich. Es mußte doch möglich sein, diese Barriere zu durchbrechen. Er schloß die Umgebung aus und versenkte sich in seinen Geist. Im ersten Moment fühlte er sich wie jemand, der in einem dunklen Raum nach einem Schlüssel für ein unsichtbares Schloß sucht. Dann begann sich die Dunkelheit langsam zu lichten. Bilder zogen an Zamorra vorbei: Eine Höhle, ein Sandhügel, ein junger Chinese, der weglief. Die Szenen änderten sich: Eine Frau, mit der ihn etwas besonderes verband, ein Schloß… Die Dunkelheit kehrte zurück und drohte die Bilder zu verdrängen. Zamorra kämpfte dagegen an.
    Das plötzliche Aufstöhnen seiner Begleiterin riß ihn aus seiner Konzentration. Er sah, wie sie taumelte und griff stützend nach ihrem Arm.
    »Alles in Ordnung?« fragte er.
    Sie lächelte unsicher. »Natürlich. Ich bin wohl nur etwas aufgeregt.«
    Um sie herum drängten sich Kaufleute und Bauern vorbei. Einige nickten Zamorra zu oder verneigten sich kurz. Er zog seine Begleiterin, die unnatürlich blaß wirkte, zur Seite, um ihr etwas mehr Ruhe zu verschaffen.
    »Vielleicht solltest du dich einen Moment ausruhen«, schlug er vor.
    Die junge Frau blieb stehen und legte ihre Hand auf die seine. Zamorra bemerkte, daß ihre Haut kühl und trocken war.
    »Mach dir keine Sorgen um mich«, sagte sie. »Der heutige Tag ist so wichtig, daß du dich von nichts ablenken lassen darfst. Vergiß nicht, auch dies könnte ein Teil der Prüfung sein.«
    Prüfung? dachte Zamorra irritiert. Er spürte das Gewicht des Lederbeutels auf seinem Rücken. Hatte er vielleicht deswegen die Schriftrollen im Park studiert, über denen er dann eingeschlafen war? Stand ihm eine magische Prüfung irgendeiner Zauberergilde bevor?
    Seine Begleiterin schien sein Schweigen nicht richtig zu deuten, denn sie drückte seine Hand und sah ihm ernst in die Augen.
    »Deine Sorge ehrt dich, Geliebter, aber sie ist wirklich unbegründet. Nach diesem Tag wird es niemanden mehr geben, der dein Amt in Frage stellt. Ich bin sicher, daß du über sie alle triumphieren wirst.«
    Sie lachte, und Zamorra, der sich gerade bemühte, das Wort »Geliebter« in ihrer kurzen Ansprache zu verarbeiten, prallte zurück, als er die langen, spitzen Eckzähne entdeckte.
    Seine Begleiterin war eine Vampirin.
    ***
    Gryf legte das feuchte Tuch vorsichtig auf die Schwellung in seinem Gesicht und seufzte.
    Zum hundertsten Mal an diesem Tag verfluchte er seinen Leichtsinn und das Schwinden seiner druidischen Fähigkeiten. Es fiel ihm schwer, sich mit den Tatsachen abzufinden. Er konnte nicht einfach mit Zamorra, der immer noch bewußtlos auf der mottenzerfressenen Matratze lag, verschwinden. Er konnte sich oder ihn auch nicht durch seine Magie heilen. Und vor allem konnte er den älteren Polizisten, der gelangweilt vor der kleinen Zelle auf und ab ging, nicht durch ein wenig Hypnose von der

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