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0676 - Die Höhle des Grauens

0676 - Die Höhle des Grauens

Titel: 0676 - Die Höhle des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Wagnis zurück, auf dem sich ihr Plan gründete. Wenn sie versagte, verlor sie mehr als nur die eigene Existenz, denn sie und ihre Schwestern waren die letzten Wächter der verlorenen Stadt.
    Einst hatte man sie als Mahnmal für kommende Generationen zurückgelassen, doch heute waren sie und die Geschichten, die sich um ihr Volk rankten, längst vergessen. Nur in den Erinnerungen der Schwestern lebte die Stadt fort. Wenn sie starben, verging die Stadt mit ihnen.
    Ist es das wert? fragte sich die dritte Schwester. Kann ich dieses Risiko wirklich verantworten?
    Sie spürte, wie ihre Geschwister ungeduldig wurden. Obwohl sie nicht wußten, was für sie auf dem Spiel stand, forderten sie eine schnelle Entscheidung. Sie lächelte traurig und erfüllte ihnen diesen Wunsch.
    »Meine Schwestern«, sagte sie. »Der Zauberer muß befreit werden und zur Höhle gebracht werden. Vorher darf ihm nichts geschehen. Ich weiß, wie wichtig diese Aufgabe ist, trotzdem müßt ihr sie allein bewältigen.«
    Die jüngste Schwester wollte widersprechen, aber sie ließ sie nicht zu Wort kommen. »Ich werde einen anderen Weg gehen, der mich weit weg von euch führen wird. Ich wünsche euch Glück.«
    »Und wir dir«, hauchten ihre Geschwister. Sie konnten sich nur noch vage an diè Zeit erinnern, als sie noch nicht im Verbund gelebt hatten. Die Aussicht, diese gemeinsame Basis zu verlassen, jagte ihnen Angst ein. Die älteste Schwester wartete nicht, bis das Gefühl auch sie erreichte, sondern zog sich mit einem raschen Gedankenbefehl aus dem geistigen Verbund zurück.
    Einige Sekunden lang schwebte sie über dem Körper, der ihren Schwestern noch als Zuflucht diente, dann wandte sie sich ab. Sie fühlte sich plötzlich einsam, so als hätte sie einen großen Teil ihrer selbst verloren. Ich darf mich davon nicht beeinflussen lassen, dachte sie konzentriert und lenkte ihren Geist zu dem Fahrzeug, auf dessen Ladefläche der bewußtlose Zauberer lag. Sie legte eine unsichtbare Hand auf seine Stirn.
    »Komm zu mir, Zamorra«, flüsterte sie. »Komm zurück.«
    Vorsichtig lenkte sie ihre Kraft gegen die Mauern, die er um seinen Geist errichtet hatte. Sie wußte, daß sie die nicht durchbrechen konnte, hatte ihre Schwestern nur dagegen anrennen lassen, um den Schein zu wahren. Sie ahnten nichts von ihrem Geheimnis.
    Der Zauberer stöhnte leise. Die dritte Schwester verstärkte ihre Kraft.
    »Nicht aufwachen. Du mußt schlafen, um mich zu begleiten.«
    Zufrieden beobachtete sie, wie sich seine Gesichtszüge wieder entspannten. Und dann fand sie endlich die Lücke in seiner geistigen Mauer und schlüpfte hindurch. Sie erinnerte sich, daß er einmal gesagt hatte, nur sie könne diese Lücke nutzen, auch wenn er nicht wußte, warum das so war.
    Die dritte Schwester umhüllte seinen Geist mit ihrer Kraft.
    »Begleite mich, Zamorra«, sagte sie zu dem Mann, den sie vor zweitausend Jahren geliebt hatte.
    ***
    Zamorra träumte.
    Er schlug die Augen auf und sah in den klaren blauen Himmel. Hoch über ihm zog ein Schwarm weißer Vögel vorbei. Ihre Schatten huschten über sein Gesicht.
    Zamorra setzte sich blinzelnd auf. Seine dunkle seidene Robe raschelte bei dieser Bewegung und einige Pergamentrollen, die auf seiner Brust gelegen hatten, fielen ins Gras. Er nahm sie zögernd auf und rollte sie wieder zusammen. Anscheinend war er über der Lektüre eingeschlafen.
    Was mache ich hier? fragte er sich plötzlich. Bin ich wach oder ist das ein Traum?
    Zamorra erhob sich.
    Der kleine Park lag friedlich vor ihm. Steinerne Bänke standen unter großen, ausladenden Bäumen, die Schatten spendeten. Ein Bach führte zu einem künstlich angelegten, kleinen Teich, der von Seerosen bedeckt war.
    Ich kenne diesen Ort, dachte er. Er versuchte sich darauf zu konzentrieren, aber der Gedanke entglitt ihm.
    »Zamorra!«
    Er fuhr herum. Sein Blick glitt über die Ziersträucher und Steinskulpturen, bis er eine junge Frau entdeckte, die auf dem gepflasterten Weg stand und ihm lächelnd zuwinkte. Sie trug eine lange bunte Robe und hatte ihr schwarzes Haar in einer kompliziert aussehenden Frisur hochgesteckt. Sie wirkte asiatisch.
    »Beeil dich«, rief sie, »sonst kommen wir zu spät.«
    Zamorra runzelte die Stirn. Sie kannte ihn offensichtlich, auch wenn er keine Ahnung hatte, wer sie war. Nachdenklich schob er die Pergamentrollen in einen Lederbeutel und ging zu ihr hinüber. Vielleicht konnte sie ihm wenigstens ein paar Informationen geben, um dieses Rätsel zu

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