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0676 - Die Höhle des Grauens

0676 - Die Höhle des Grauens

Titel: 0676 - Die Höhle des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Minuten, als der Fluß eine Biegung machte, fand Gryf, wonach er gesucht hatte. Hoch oben in den Felsen, an einem Punkt, der für Menschen nur schwer erreichbar zu sein schien, hatte jemand die Statuen dreier Frauen in den Stein gemeißelt.
    »Was ist denn das?« fragte Gryf überrascht.
    Sein Tonfall ließ Me Xiang aufsehen.
    Sie folgte seinem Blick und zuckte zusammen. Ihre Finger krallten sich um die Reling und ein Schwall chinesischer Worte drang aus ihren Mund hervor. Sie schien ihren Begleiter völlig vergessen zu haben.
    »Me Xiang«, sagte Gryf in dem Versuch, zu ihr durchzudringen, »kannst du mir sagen, was diese Statuen bedeuten?«
    Die junge Chinesin fuhr herum. Für einen Moment leuchteten ihre Augen auf, dann las Gryf nur noch Verwirrung in ihrem Blick.
    »Wer bist du?« fragte sie verstört. »Was…«
    Ein Ruck ging durch ihren Körper wie ein Stromstoß. Ihre Gesichtszüge verhärteten sich wieder.
    »Nichts«, sagte sie dann ruhig. »Es ist nur eine Legende.«
    Der Druide holte tief Luft. Die letzten Sekunden hatten gereicht, um ihm klarzumachen, was mit der jungen Frau los war. Unterbewußt hatte er die ganze Zeit gespürt, daß etwas mit ihrer Mimik und ihrer Körpersprache nicht stimmte. Sie wirkte unnatürlich steif, beinahe sogar leblos. Nur in diesem einen Moment, als die Chinesin ihn fragte, wer er sei, erschien sie ihm plötzlich lebendig und menschlich. Der Grund dafür lag auf der Hand:
    Me Xiang war besessen.
    ***
    Die beiden Schwestern kämpften die aufsteigende Panik nieder. Für einen Augenblick hatten sie die Kontrolle über den Geist der jungen Frau verloren. Er war ihnen entglitten wie Wasser, das zwischen den Fingern hindurchrinnt. Mit aller Kraft drängten die Schwestern ihn zurück in sein Gefängnis. Sie wagten allerdings nicht, ihn ganz auszulöschen, denn dann wären auch die Erinnerungen vergangen, die es ihnen ermöglichten, mit dem Fremden in seiner Sprache zu reden.
    »Meinst du, er hat Verdacht geschöpft?« fragte die jüngste Schwester ängstlich.
    »Ich weiß es nicht. Es fällt mir schwer, in seinem Gesicht zu lesen.«
    Die Schwestern richteten den Blick wieder auf die Statuen. Keine von ihnen wollte aussprechen, was sie beide dachten.
    »Was denn für eine Legende?« drang die Stimme des Fremden zu ihnen. Die mittlere Schwester betrachtete Gryf mißtrauisch, aber er wirkte nur höflich interessiert. Entweder hatte er Me Xiangs Ausbruch nicht richtig gedeutet, oder er spielte ein Spiel mit ihnen. Wie dem auch sei, entschied sie, es war besser, auf seine Frage einzugehen.
    »Es ist die Legende dreier Schwestern«, sagte sie durch Me Xiangs Mund. »Sie lebten in einer großen Stadt und waren sehr glücklich. Doch eines Tages…« Sie stockte, als ihr plötzlich bewußt wurde, daß sie in all den Jahren nicht einmal an den Tag gedacht hatte, als die Wachen des Herrschers vor ihrer Tür standen und sie mitnahmen. Und jetzt, das stellte sie mit Erschrecken fest, konnte sie es nicht mehr. Die Erinnerung war ebenso verschwunden wie das Wissen um den eigenen Namen und die Namen ihrer Schwestern. Selbst die große Stadt war aus ihrem Geist verschwunden. Sie wußte darüber nicht mehr, als sie auf den Felsmalereien gesehen hatte. Kein Tag und kein Ereignis war in ihrer Erinnerung vorhanden. Nur die Höhle erschien ihr wirklich.
    Die jüngste Schwester spürte ihre Verwirrung und sprang ein. »Eines Tages«, fuhr sie fort, »taten sie etwas Schreckliches und wurden getötet. Dann bauten die Leute ihre Statuen.«
    »Du verstehst es wirklich, eine gute Geschichte zu erzählen«, entgegnete Gryf ironisch. Die Schwestern verstanden nicht, was er damit meinte. Also wandten sie Me Xiangs Körper von ihm ab und schwiegen.
    »Wie ist mein Name?« flüsterte die mittlere Schwester im Geist der Chinesin.
    Die jüngste zögerte. »Ich weiß es nicht«, sagte sie nach einem Moment.
    »Was haben wir getan, um so gestraft zu werden?«
    »Auch das kann ich dir nicht sagen.«
    Aber etwas anderes verstanden sie beide, hatten es in dem Augenblick begriffen, in dem sie die Statuen gesehen hatten: Man hatte sie nicht vergessen, so wie die älteste Schwester behauptet hatte. Niemand hatte ihre Spuren ausgelöscht und selbst den Boden abgetragen, auf dem sie einmal gegangen waren. Und es war auch nicht ihr Schicksal, bis ans Ende aller Zeiten den letzten Schatz des Kuang-shi in einer Höhle vor Frevlern zu schützen. Wie sonst war es zu erklären, daß sie nach zweitausend Jahren auf so wundersam

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