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0676 - Die Höhle des Grauens

0676 - Die Höhle des Grauens

Titel: 0676 - Die Höhle des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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herausgearbeitet und bemalt worden war.
    Die Hände, aus denen spiralförmige, gelbliche Fingernägel hervorstachen, und das Gesicht des Vampirs waren von dichtem, weißem Fell bedeckt. Der Kopf war schmaler als der eines Menschen, und die langen spitzen Fangzähne ragten weit über die Lippen heraus. Der Rest seines Körpers verbarg sich unter einer reich bestickten chinesischen Robe, die zur Wand hin immer dunkler wurde und schließlich mit dem nächtlichen Himmel des Bildes verschmolz.
    »Als würde Kuang-shi über die Stadt und ihre Bewohner wachen«, sagte Zamorra nachdenklich.
    »So sehe ich das auch.« Gryf lenkte den Lichtkegel zurück zur Wand. »Ich habe noch nie von einem solchen Ort gehört. Wenn es ihn wirklich gegeben hat, wurde er entweder vor sehr langer Zeit zerstört oder sehr gut verborgen.«
    Zamorra dachte an das Relief des Vampirs über ihren Köpfen. Beides war möglich. Wenn Kuang-shi auch nur ein Zehntel der Macht hatte, die ihm die Legenden zuschrieben, war er praktisch unbesiegbar. Wenn er es gewollt hätte, wäre der Schutz einer solchen Stadt kein großes Problem für ihn gewesen…
    Etwas Kaltes strich über das Gesicht des Parapsychologen. Für einen Moment sah er seinen eigenen Atem wie eine weiße Wolke in der plötzlichen Kälte aufsteigen.
    »Spürst du das?« fragte Gryf nervös.
    Zamorra nickte. Sie waren nicht mehr allein in der Höhle. Etwas oder jemand war zu ihnen gekommen. Die Dunkelheit, die ihm eben noch völlig natürlich vorgekommen war, schien mit einem Mal voller Gefahren zu stecken, während der Kreis, den der Lichtkegel der Taschenlampe warf, zusammenschrumpfte.
    Zum zweiten Mal innerhalb weniger Minuten streckte Zamorra die Hand aus, um das Amulett zu rufen.
    Aber seine Handfläche blieb leer.
    »Verdammt«, fluchte er leise. »Merlins Stern reagiert nicht.«
    Er befürchtete, daß die Entfernung zwischen ihm und dem Amulett zu groß war. Er hatte immer schon ausprobieren wollen, welche Distanz Merlins Stern tatsächlich überbrücken konnte. Jetzt wußte er zumindest, bei welcher es kapitulierte.
    »Laß uns verschwinden, Alter«, sagte Gryf. »Die Sache wird mir langsam unheimlich.«
    Der Silbermond-Druide ergriff Zamorras Arm und setzte zum zeitlosen Sprung an.
    Nichts passierte.
    ***
    Die drei Schwestern kicherten.
    »Der Zauberer kann uns nicht mehr entkommen«, flüsterte die erste.
    Die beiden anderen ließen sich durch das Gestein gleiten, in dem sie seit vielen Zeitaltern gefangen waren, und genossen den Augenblick des Triumphs.
    »Bindet seinen Geist«, befahl die dritte.
    Sie versanken in Meditation, vereinten ihre Kraft und drangen gemeinsam in das Labyrinth vor. Pfeilschnell schossen sie durch die schmalen Gänge, eine unsichtbare Macht in der Dunkelheit, die sich von nichts aufhalten ließ.
    Die Schwestern erreichten die beiden Männer. Zwei von ihnen stießen wie Falken auf sie herab.
    Und wurden wild aufheulend ins Gestein zurückgeworfen.
    Die zweite Schwester schrie wütend auf. »Er hat Mauern um seinen Geist gebaut. Wir können sie nicht niederreißen.«
    Die erste Schwester fiel in ihr Geschrei ein und verfluchte den Himmelskaiser mit all seinen Götterdämonen.
    »Wir haben versagt! Wie sollen wir ihn jetzt noch aufhalten?«
    Nur die dritte schwieg.
    Sie beobachtete, wie die beiden Männer, die ein tragbares Licht mit sich führten, langsam in der Dunkelheit verschwanden.
    Nach einem Moment schwebte sie hinauf zur Zeichnung des Kuang-shi. Sie blickte in seine schwarzen Augen und betrachtete die Stadt, die sie einst Heimat genannt hatte. Ihre Fingerspitzen tasteten nach den goldenen Dächern, spürten jedoch nur den kühlen Stein.
    »Hört mit dem Geschrei auf«, sagte sie laut zu ihren Schwestern. »Er hat noch nicht gesiegt.«
    Stille senkte sich über die große Höhle, als die beiden ihren Befehl befolgten.
    Sie berührte ein letztes Mal die Dächer der Stadt. »Der Mensch wird zu uns kommen. Dafür werde ich sorgen.«
    Mit leiser Stimme schilderte sie den anderen ihren Plan.
    ***
    »Was ist los?« fragte Zamorra irritiert, als Gryf stehenblieb. »Sollten wir nicht mittlerweile wieder in Frankreich sein?«
    Der Druide räusperte sich. »Flipp jetzt bitte nicht aus, aber so wie es aussieht, blockiert irgendwas in dieser Höhle meine Fähigkeiten. Ich kann den Sprung nicht einleiten.«
    »Das ist nicht dein Ernst, oder?«
    »Ich versteh's ja auch nicht«, gab Gryf kleinlaut zu. »Beim ersten Mal gab es keine Probleme.«
    Zamorra fluchte

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