0677 - Yaga, die Hexe
Kraft einer entarteten Sonne geschaffen hatte. Die beste, mächtigste und wirksamste Waffe, die Zamorra besaß, zur Verfügung gestellt von Merlin!
Sieben Amulette gab es, eines stärker als das vorhergehende. Das siebte war das stärkste und mächtigste, und es gehörte Zamorra.
Bisher.
»Nicht länger«, sagte Merlin leise.
»Du bist wahnsinnig!« stieß Zamorra hervor. »Du weißt, was es bedeutet, wenn du es mir nimmst?«
Merlin nickte.
»Natürlich weiß ich das«, gestand er. »Sonst hätte ich es dir nicht abgenommen. Ich schuf es, ich gab es dir, ich nehme es dir wieder. Du erhältst es zurück, wenn du meinen Wunsch erfüllst.«
»Ich bringe ihn um«, flüsterte Nicole zornbebend. »Ich bringe ihn um!«
»Was liegt dir daran?« fragte Zamorra leise. »Warum willst du, daß wir dir in einer ganz privaten Angelegenheit helfen? Denn mehr ist es doch nicht, oder? Eine Sache zwischen der Baba und dir! Was haben wir damit zu schaffen?«
»Du kennst Yaga von früheren Auseinandersetzungen her. Aber das ist nicht alles. In dieser Sache sind mir selbst die Hände gebunden«, sagte Merlin. »Aber glaube mir, glaubt mir: es ist wichtig. Sehr wichtig. Sie darf nicht…«
»Diesen Wandteppich der Puppenspielerin klauen?«
»Darauf läuft es hinaus«, sagte Merlin. »Ihr müßt schneller sein. Nehmt der Puppenspielerin den Wandteppich ab, ehe Baba Yaga es kann. Ganz gleich, um welchen Preis. Sie darf ihn nicht sehen, nicht bekommen.«
»Warum?«
»Ihr würdet es nicht verstehen«, sagte Merlin leise. Er hob die Hand, als Nicole erneut aufbrausen wollte. »Verzeih mir. Aber es gibt Dinge, die sich in anderen Ebenen abspielen, als menschlicher Geist sie erfassen könnte.«
»Geschwätz«, murmelte Nicole.
»Was immer du meinst«, erwiderte Merlin seltsam sanft. »Dennoch gibt es Dinge, die Menschen nie verstehen können. Ich könnte sie euch auch nicht erklären.«
»Du willst es nur nicht!«
»Ich kann es nicht.«
»Aber du kannst uns zwingen, für dich zu arbeiten!« fauchte Nicole.
»Ich stelle euch vor die Wahl. Mehr nicht.«
»Und was?« brummte Zamorra resignierend, »sollen wir nun für dich tun?«
***
Anno Domini 1440:
»Vielleicht helfe ich dir«, sagte Zamorra grimmig.
»Wobei?« fragte Nicole. Sie fröstelte; es hatte bis vor ein paar Minuten geregnet, und sie und Zamorra waren bis auf die Haut durchnäßt. Das Laubdach des Waldes, in dem sie sich befanden, lag als vergammelter Kompost-Matsch vom letzten Herbst zu ihren Füßen, über ihnen hofften die kahlen Äste auf den Frühling und bessere Zeiten.
»Du sagtest, du würdest Merlin umbringen«, erinnerte Zamorra sie. »Vielleicht halte ich ihn fest, während du ihn massakrierst.«
»Einverstanden. Ich wußte doch schon immer, daß ich mich auf dich verlassen kann«, stellte Nicole fest. »Mit einer der Gründe, aus denen ich dich liebe.«
Wenigstens hatte Merlin mit seiner Magie dafür gesorgt, daß sie nicht zu sehr auffielen in der Zeit, in welche er sie versetzt hatte: sie trugen Kleidung, die in diese Epoche und diesen Teil der Welt paßte. Allerdings für beider Geschmack entschieden zu einfach und zu billig; mit diesen erdfarbenen Klamotten der einfachsten Art konnten sie allenfalls als Tagelöhner oder Herumtreiber auftreten. Eine höhere gesellschaftliche Stellung würde ihnen kein Mensch glauben.
Warm hielt das Zeug sie auch nicht.
Und das Amulett hatte er ebenfalls einbehalten. »Ihr werdet es nicht brauchen«, hatte er behauptet und Zamorra nicht einmal Gelegenheit gegeben, die Zeitringe aus dem Safe zu holen. Mit dem Zukunftsring hätten sie wenigstens in einer prekären Situation in die Gegenwart - ins Jahr 2000 - zurückkehren können, um aus dieser Sicherheit heraus zu überlegen, wie nachträglich eine Katastrophe abgewendet werden konnte. Aber das ging nun nicht mehr. Sie waren auf Gedeih und Verderb in der Vergangenheit gestrandet. Erst durch die Erfüllung ihres Auftrags, so hatte Merlin angedeutet, würden sie in die Gegenwart zurückkehren können - gemeinsam mit Baba Yaga.
»Die Baba wird den Teufel tun, uns mit in die Gegenwart zu nehmen«, brummte Zamorra. »Wir sind Todfeinde. Das alte Hutzelweib wird uns hier verrecken lassen. Zeitparadox hin oder her - wenn ich in dieser Zeit auf Merlin stoßen sollte, ist er fällig! Dann drehe ich ihm den Hals um, ganz gleich, was dann aus unserer Gegenwart und überhaupt dem Zeitstrom wird. Ich bin's ja nicht, der die Geschichtsbücher umschreiben muß. Aber dies ist
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