0678 - Der Zauberschädel
hart kommt. Was ich ihm sage, wird er auch übernehmen.«
»Und darauf kann ich mich verlassen?«
»Ja.«
»Dann bitte.«
Duvalier drehte sich dem Eingang entgegen und stieß einen schrillen Pfiff aus. Sekunden später hörte Suko das Flattern der Flügel. Er dachte daran, dass dieser Raum eigentlich für einen derartig großen Vogel zu klein geraten war, aber Duvalier hatte alles im Griff. Der Vogel besaß nur mehr die Größe eines Raben und ließ sich auf der Schulter seines Gebieters nieder.
Suko wollte nicht meckern und fragte vorsichtig an, ob er nicht zu klein als Bewacher wäre.
»Ich bitte dich. Hast du sie nicht als währe Vogelriesen erlebt, mein Freund?«
»Das stimmt.«
»Sie sind in der Lage, ihre Gestalt zu ändern. Sie können groß wie Adler werden oder noch größer, sich aber auch wieder zurückverwandeln. Sie sind eben etwas Außergewöhnliches, das habe ich dir schon immer gesagt.«
»Entschuldige, Duvalier. Ich muss mich eben noch an vieles hier gewöhnen.«
»Das ist verständlich.«
Suko schaute auf den Spiegel. Noch merkte er ein Kratzen im Hals und musste es erst wegräuspern. »Kann ich dann jetzt in den Spiegel hineingehen, bitte?«
»Ich habe nichts dagegen.«
Suko lächelte, holte Atem und schritt direkt auf die ungewöhnliche Fläche des menschenhohen Spiegels zu. In seinem Kopf summten die Gedanken, er versuchte sie erst gar nicht zu ordnen, aber etwas Bestimmtes hatte sich herauskristallisiert, und davon würde er sich auch so leicht nicht abbringen lassen.
Der erste Versuch sollte ein Test werden, aber ein bestimmter Test mit ebenfalls bestimmten Folgen.
Noch traute sich der Inspektor nicht. Dicht vor dem geheimnisvollen Spiegel blieb er stehen und besah sich die Fläche, die so ganz anders aussah, als die eines normalen. Sie war grauer und verschluckte einen Teil des Feuerscheins.
Dass der Vogel herbeiflatterte, hörte Suko. Er spürte den Druck auf seiner rechten Schulter, als sich das Tier dort niederhockte. Ohne zurückzuschauen, erkundigte er sich bei Duvalier, ob der Vogel die Größe behalten würde.
»Lass dich überraschen, Suko.«
»Dafür bin ich immer zu haben«, murmelte er und zuckte leicht zusammen, als der Vogel mit dem Schnabel über seine Wange strich, was aber eher einer zärtlichen Geste gleichkam. Er mochte seinen neuen Besitzer und demonstrierte dies auch.
Noch einen Schritt, dachte Suko. Noch einen Schritt mußt du gehen, um hineinzukommen.
Er saugte die Luft ein.
Oder sollte er es zuerst mit der Hand versuchen, sie hineintauchen, um einen kleinen Vorgeschmack zu bekommen?
Nein, er wollte es auf einmal haben, gab sich einen Ruck - und betrat die Fläche.
Kein Widerstand hielt ihn auf. Er hatte den Eindruck, in eine sichtbare und gefärbte Luft zu laufen. Er blieb stehen, drehte sich um und schaute zurück.
Den Feuerschein nahm er so gut wie nicht wahr. Daneben hielt sich der Umriss einer Gestalt auf, die wie er aussah - oder war es eine Einbildung?
Suko machte sich darum keine Gedanken mehr. Es war für ihn wichtiger, sich auf seinen eigentlichen Vorsatz zu konzentrieren.
Und er schickte sein zweites Ich auf die Reise!
***
In der vergangenen Nacht war der Schnee gefallen. Und das auf den hart gefrorenen Boden, wo er nicht wegtauen konnte und selbst die Abgase der Autos zu wenig Wärme brachten.
Ich hatte glücklicherweise beim Aufstehen schon meine Ohren weit offen und hörte das feine Rieseln, als die zahlreichen winzigen Körner gegen die Scheibe prasselten.
Was andere Junggesellen sagen, wenn sie aufstehen, ist mir nicht bekannt, mir aber rutschte das berühmte harte Wort für die weiche Masse gleich dreimal über die Lippen, denn vom Schnee und von der Kälte hatte ich die Nase voll.
Ich war erst vor zwei Tagen aus Russland zurückgekehrt und hatte dort eine barbarische Kälte erlebt, zusammen mit dem blutigen Boris, einem gefährlichen Dämon.
Und jetzt dies. Wieder Schnee, wieder Kälte und natürlich das verfluchte Glatteis.
Was die letzten Winter nicht geschafft hatten, machte dieser alles wieder wett.
Eines war sicher. Den Rover würde ich in der Garage lassen. Ich hatte keine Lust, für die Strecke bis zum Yard mehrere Stunden auf einem Eisparkett zu rutschen. Da sich an einem solchen Tag wie diesem jeder verspäten würde, beeilte ich mich auch nicht sonderlich und ließ es langsam angehen.
Das heiße Wasser der Dusche empfand ich angenehmer als sonst. Ich öffnete trotzdem das kleine Fenster und beugte mich hinaus.
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