0678 - Der Zauberschädel
Glenda hatte von überfüllten Wagen gesprochen, das traf doppelt und dreifach zu.
Von allein konnte ich kaum hineingehen. Ich wurde gedrückt und geschoben. Eingekeilt stand ich in der Menge. Wenn die Bahn scharf bremste, konnte keiner umkippen, da fing der eine Körper den anderen auf. Am schlimmsten waren die Gerüche. Sie drangen unsichtbar aus den Kleidungsstücken der Leute.
Da stank es nach Mottenkugeln ebenso wie nach Knoblauch und anderen Gewürzen. Ich gewöhnte mich nur schwer daran, biss die Zähne zusammen und atmete nur durch die Nase. Selbst zum Zeitungslesen war kein Platz mehr, was einige Gentlemen ärgerte, wie an ihren zerknirschten Mienen abzulesen war.
Jede Fahrt hat ein Ende, auch diese hier. Wieder hoch, wieder in den Schnee, der mich umwirbelte, dann ging ich die letzten Schritte in Richtung Yard.
Auch hier lachte man mich an, als ich die Halle betrat. Ich hörte, dass ich nicht der einzige war, der ohne Wagen kam. Andere hatten angerufen, weil sie feststeckten. An manchen Stellen in der Londoner City lief nichts mehr.
Noch in der Halle nahm ich die Mütze ab, klopfte mir die Schneeflocken von der Jacke und betrat den Lift. Ich freute mich auf Glendas Kaffee, der gerade heute so richtig schön wärmen würde. Das war ein Fest für Körper und Seele.
Bereits auf dem Flur nahm ich den Geruch wahr, und meine Augen begannen zu strahlen. »Du hast genau gewusst, wann ich kommen werde, gratuliere, Glenda«, sagte ich beim Eintreten.
Die dunkelhaarige Person drehte sich um. Glenda hatte ihre Stiefel in die Ecke gestellt und flache Schuhe angezogen. Sie trug eine violette Keilhose und einen beigefarbenen Pullover mit Rollkragen, der leicht von ihrem Hals abstand.
»Ja, mein Timing stimmt.«
Ich schloss die Tür, zog die schwere Jacke aus und zupfte die Ärmel des gelben Pullovers zurecht. »Verdammt noch mal, ist das ein Wetter.«
»Was willst du, John? Im letzten Winter hatten wir die Stürme. Da war es auch zu warm…«
»Ja, schon gut.« Ich setzte mich auf einen Stuhl an der Heizung und sah den verwunderten Gesichtsausdruck der jungen Frau. Sie kam mir vor wie eine Fremde.
»Habe ich was an mir, Glenda?«
»Nicht direkt. Ich wundere mich nur, dass du hier sitzt und nicht in deinem Büro.«
»Ach so. Ja, was soll ich da? Suko ist nicht zurück, ich werde den Kaffee hier genießen.«
»Wie schön.«
»Das klang nicht begeistert.«
»War es auch nicht«, gab sie zu, als ich mir eine Tasse nahm und sie vollschenkte. »Ich habe nämlich einiges aufzuarbeiten. In den anderen Abteilungen sind die großen Krankheiten ausgebrochen. Ich mache da einiges an Arbeit mit. Abrechnungen und so…«
»Nur keine Hektik, Glenda.« Ich trank die ersten Schlucke und musste gestehen, dass sie beinahe ein kleines Wunder bewirkten. Die Wärme flutete durch meinen Körper. Sie strömte vom Magen her in die Höhe und gab mir das Gefühl der Geborgenheit. Komisch, was eine Tasse Kaffee bei einem derartigen Wetter doch bewirken konnte.
Das Wetter war auch unser Gesprächsthema. Wenn ich nach draußen schaute, sah der Himmel aus wie schmutzige Asche, aus der es ununterbrochen hervorrieselte. Ich dachte an meinen letzten Fall, der mich nach Russland geführt hatte. Da war es auch bitterkalt und verschneit gewesen, nur hatte mir der Schnee dort nicht so viel ausgemacht wie hier in London. In Russland gehörte er einfach dazu.
»Wie sieht dein Tag heute aus?« fragte Glenda.
Ich hob die Schultern und schenkte mir noch einmal Kaffee nach. Langsam rührte ich den Zucker um. »Das kann ich dir nicht sagen. Wenn mich nicht alles täuscht, werde ich am Schreibtisch hocken, Berichte schreiben, und daran denken, dass andere in den Winterurlaub gefahren sind und es denen jetzt besser geht.«
»Wie den Conollys.«
»Richtig.«
»Wo stecken die genau?«
»Irgendwo im Engadin, in der Schweiz. Nicht weit von St. Moritz weg. Dort muss es prächtig sein.«
»Ich dachte immer, du magst keinen Schnee.«
»Da schon. Nur in der Großstadt nicht.« Ich winkte ab und stellte die Tasse weg. »Was soll das alles? Es hat sowieso keinen Sinn. Arbeit, lauf weg, sonst kriege ich dich.« Mit diesen Worten und von Glendas Lachen verfolgt, ging ich auf meine Bürotür zu.
Ich war noch immer in Gedanken, als ich sie öffnete, in den Raum schaute - und wie angewurzelt und schreckensbleich auf der Schwelle stehenblieb. Was ich sah, war verrückt, der reinste Irrsinn.
Auf seinem Platz hockte Suko und wurde bewacht von einem großen
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