0678 - Der Zauberschädel
schwarzen Vogel!
***
Ich stand da, rührte mich nicht, konnte nicht einmal etwas denken und reagierte auch nicht, als mich Glenda aus dem Zimmer hinter mir ansprach. Sie wollte wissen, weshalb ich nicht weiterging, aber das war mir in diesen Augenblicken nicht möglich.
Ich wusste nicht, ob ich mich freuen sollte oder nicht. Der Vogel zusammen mit Suko war ein zu großer Schock gewesen, eine Fata Morgana vielleicht…
»Nein, das ist irre!« Glenda war dicht an mich herangetreten und hatte ebenfalls in den Raum geschaut. Sie schüttelte den Kopf, sie wollte etwas sagen, doch die Geräusche, die über ihre Lippen drangen, hatten mit Worten nichts gemeinsam.
Ich glaubte noch immer an einen Traum und hatte gleichzeitig den Eindruck, in einen Abgrund zu fallen. Es kostete mich Überwindung, den ersten Schritt zu wagen. Glenda blieb außen vor. Sie war bleich wie eine Kalkwand geworden und konnte nicht fassen, was sie da zu sehen bekam.
Der Vogel rührte sich nicht. Seltsamerweise galt mein direkter Blick ihm, da ich den Eindruck hatte, als würde von ihm eine gewisse Gefahr ausströmen.
Seine Augen waren wie Knöpfe, das Gefieder sah so schwarz wie die Nacht aus, und selbst sein Schnabel wirkte wie ein schwarzer spitzer Dolch, kaum gekrümmt.
Ich hatte einen Frosch im Hals sitzen, kniff mich selbst, weil ich davon ausging, dass ich möglicherweise träumte, aber ich träumte nicht. Suko saß in unserem Büro, und er schaute mich mit einem Gesicht an, das mir vorkam wie eine Plastikmaske.
Keiner von uns sprach, Ich hörte meinen eigenen Atem, nur den meines Freundes nicht. Er kam mir vor wie jemand, der überhaupt nicht zu atmen brauchte.
Wie in Trance ging ich an meinen Platz, ohne mich allerdings zu setzen.
Ich blieb am Schreibtisch stehen, den Blick auf Suko und diesen Vogel gerichtet.
»Du mußt sprechen, John!« flüsterte Glenda von der Tür her.
»Klar, Mädchen, klar.« Ich wollte auch sprechen, aber verdammt noch mal, ich wusste nicht einmal, wie ich meinen Freund und Kollegen anreden sollte. Ich starrte ihn dafür an und suchte in seinem Gesicht und seinem Körper nach irgendwelchen Hinweisen, über die ich selbst nicht genau Bescheid wusste.
Mir war unklar, was ich suchte, was anders war an meinem Freund. Eigentlich nichts, bis auf eine doch bedeutende Kleinigkeit. Er brauchte tatsächlich nicht zu atmen und hockte hinter dem Schreibtisch wie eine lebende Leiche, ein Zombie…
Zombie?
Ich schluckte und spürte eine Hitzewelle, die durch meinen Körper raste.
Suko ein Zombie, das wäre der nackte Wahnsinn gewesen, das würde ich nicht packen, das…
War er nicht blasser als sonst? Ja, seine Gestalt sah mir anders aus. Sie wirkte so, als wäre sie mit einer sehr dünnen Haut bedeckt. Beinahe schon durchscheinend. Ich hatte den Eindruck, als könnte er sich jeden Augenblick auflösen und wieder verschwinden.
Zu Glenda gewandt fragte ich: »Hör mal zu, Mädchen. Du hast nicht zufällig gesehen, wie er das Büro betreten hat?«
»N… nein…«
»Und es kam auch kein Vogel geflattert.«
»Was denkst du, John?«
»War auch nur eine Frage. Dann hat er sich also materialisiert, wenn ich mich nicht irre.«
An Sukos Gesicht hatte ich ablesen können, dass er meine Worte sehr wohl verstanden hatte. Seine Lippen verzogen sich, er sah aus, als wollte er anfangen zu sprechen.
Dem kam ich durch meine Frage zuvor. »Wo kommst du jetzt her, Suko? Kannst du sprechen?«
»Ich bin in Indien.«
»Nein, du bist hier.«
»Auch dort.«
»Noch mal, alter Freund. Du bist hier und dort? Wo bist du dann dort? Sag es!«
»Auf dem Felsen der Weisheit. Es ist die letzte Chance, die ich habe. Ich muss die Kraft zurückbekommen. Ich darf den Stab nicht mehr hergeben. Ich will ihn…«
»Warst du an Buddhas Grab?«
»Ja.«
»Was geschah dort?«
»Man schickte mich weg. Ich traf einen Mönch. Er berichtete vom Felsen der Weisheit. Ich traf dort Duvalier. Er gab mir die große Chance, John. Ich konnte mich teilen.«
»Wie das?«
»In zwei Ichs.«
Patsch, das hatte gesessen. Meine Gedanken wirbelten. Ich hatte keinen Grund, Sukos Worten zu misstrauen. Wenn er Von seinem zweiten Ich sprach, musste das den Tatsachen entsprechen, denn ich wusste ebenfalls, dass der Mensch nicht so war, wie er aussah. Dass er zwar einen sichtbaren dreidimensionalen Körper besaß, gleichzeitig auch ein noch weitgehend unerforschtes Refugium, die sogenannte Seele.
Unsichtbar und nicht zu verwechseln mit dem Astralleib eines
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