0682 - Das Geisterkind
seine Hände unter ihren Hinterkopf und richtete den Körper ein wenig auf.
Beide starrten sich an.
»Bitte, Mrs. Foreman, was ist geschehen?«
Sie hörte erst nicht. Suko musste seine Frage zweimal wiederholen, bevor er eine stockende Antwort erhielt.
Die war schlimm genug.
»Tot sind die beiden«, flüsterte Suko, als er mich anstarrte. »Rami und Ray haben es nicht geschafft, John, du hattest Recht. Wir haben beide einen Fehler begangen.«
Ich nickte mit starrem Gesicht. In diesen Augenblicken fing ich an, mich selbst zu hassen. Dass man nicht immer perfekt sein konnte, war klar, aber ich wollte es nicht wahrhaben.
Suko sprach flüsternd mit Kate Foreman. Er holte noch einige Informationen aus ihr heraus und wandte sich an mich. »John, wenn mich nicht alles täuscht, sind sie noch oben.«
»Raniel und das Geisterkind?«
»Richtig.«
»Dann lass uns gehen«, sagte ich mit krächzender Stimme und schaute auf den Dunklen Gral…
***
Das Totenzimmer!
Nur eine Kerze brannte und streute ihr Licht über das leicht gelblich schimmernde Gesicht des Kindes. Ein muffiger Geruch hing schwer zwischen den Wänden. Ein Geruch, der nur schwer einzustufen war, das Vorstadium der Verwesung.
Im Zimmer daneben lagen Rami und Ray. Beide mit noch intakten Körpern, aber halb zerstörten Köpfen.
Grauen nur…
Ansonsten war es still in der Wohnung. Der Tod hatte seine Schatten ausgebreitet, und das Jenseits griff wie mit langen Geisterfingern hinein in diese Welt.
Und doch existierte so etwas wie Leben in der großen Wohnung. Es hielt sich nur in einem anderen Raum auf.
Hindernisse gab es nicht für die kleine, weiße, durchscheinende Gestalt mit der brennenden Kerze, die so etwas wie ein Synonym für das Geisterkind war.
Der Astralleib bewegte sich ungefähr so, wie sich auch schon die echte Millie bewegt hatte.
Es hatte Tage gegeben, da war sie regelrecht euphorisch gewesen und tanzte nur durch die Wohnung.
Wie das Geisterkind!
Nun wirkten ihre Bewegungen inmitten des Grauens deplaziert, dieses lautlose Hüpfen, das Bewegen des Mundes, als sollte ein Lied gesungen werden. Das alles erinnerte an ein makabres Schattenspiel.
So bewegte sich der Geist unhörbar durch den Flur, er ließ Wände hinter sich, als wären sie nicht vorhanden, und huschte dann lautlos in den Raum hinein, wo die tote Millie aufgebahrt war.
Leib und Körper waren dicht beisammen.
Es hatte ein Hin gegeben, aber es würde kein Zurück mehr geben. Das war vorbei.
Der Astralleib strich über den Körper der Toten hinweg, als wollte er diesen streicheln.
Aus der Toten wurde kein Zombie. Hier herrschten nicht die Gesetze des Voodoo, sondern die einer anderen Stufe, einer fremden Welt und Sphäre.
Dann kam er.
Auch Raniel war nicht zu hören, als er den Flur verließ und in das Totenzimmer glitt.
Eine mächtige Gestalt, deren Kutte Falten warf, die so scharf gezeichnet waren wie sein Gesicht, in dessen Furchen ein grauer Puder zu liegen schien.
Raniel war kein Engel mit dem Flammenschwert, er bewachte kein Paradies, um nur die Gerechten einzulassen, er war aus der finsteren Dimension gekommen, um anderen durch schreckliche Taten in dieser Welt zu beweisen, wie mächtig er war.
Klein sah der Astralleib des Kindes im Vergleich zu dieser massigen Gestalt aus.
Das durchscheinende Etwas wirkte noch immer wie ein Kommunionskind, das sich im weichen Licht der Kerze auf den Weg zum Altar gemacht hatte.
Der Mund zeigte ein feines Lächeln, das Gesicht war nur blass, und als Raniel seinen rechten Arm ausstreckte, da hob das feinstoffliche Wesen sein Gesicht an, um den Todesengel mit einem Ausdruck der Dankbarkeit anzuschauen.
Raniel hatte getötet, aber er hatte die Mutter verschont. Dafür war das Wesen ihm dankbar.
Sie schauten sich an.
Beide wirkten wie Vater und Tochter, doch beiden stand nicht der Sinn nach familiären Beziehungen. Zumindest einer der beiden wollte die Welt der Menschen aufmischen, koste es, was es wolle.
Das Wesen tat nichts, als es die Hand auf seiner Schulter spürte. Es war eine ungewöhnliche Berührung, denn die Hand sank zum Teil in die Gestalt ein.
Es war aber auch ein Signal, dem das Geisterkind gehorchte. Beide wollten das Gleiche, und beide wollten auch dem Ziel folgen, das Rami und Ray gehabt hatten.
Es hatte einen Namen - der Dunkle Gral!
Der Todesengel senkte seinen linken Arm, damit er seine Hand in die des Geisterkindes legen konnte.
In diesem Moment drehten sie sich gemeinsam, verließen den Raum,
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