0682 - Das Geisterkind
abmalten.
Raniel hielt seine Hände vorgestreckt. Sie schwebten gespreizt über den Schultern des Geisterkinds und sahen so aus, als würden sie jeden Moment zupacken.
Es kümmerte den Astralleib nicht. Er stand da, ohne sich zu bewegen, hielt nur die Kerze, deren Flammen Kate mit einem Lebenslicht verglich.
Der Todesengel hatte den bösen Blick!
So wie er in den Raum schaute, konnte der Ausdruck seiner Augen nur Furcht bringen. Er war kalt und heiß zugleich, versprach Tod, Verderben und Elend.
So hatte man sich immer einen Boten der Finsternis vorgestellt, jemanden, den der Teufel persönlich aus der Hölle in die normale Welt geschickt hatte.
Rami und Ray konnten ihn nicht sehen, sie drehten ihm ihre Rücken zu, aber sie fühlten ihn. Auf ihren Gesichtern malte sich allmählich ein anderer Ausdruck ab.
Angst!
Eine fürchterliche Angst, vor dem Ende zu stehen und vollends versagt zu haben.
Und doch kämpften sie mit ihren Kräften dagegen an, denn die geheimnisvollen Zeichen auf den Stirnbändern traten noch deutlicher hervor, als wollten sie einen Widerstand aufbauen, was aber kaum gelang.
Kate konnte nicht mehr bleiben. Sie sah nur den Körper und drückte sich hoch.
Niemand hinderte sie daran, die ersten Schritte zu gehen. Sie bewegte sich mit sehr weichen Knien und einer kalten, klumpigen Furcht im Magen.
Das Gesicht war starr, ihre Lippen zitterten, die Augenwimpern bewegten sich zuckend, und sie schlich an Ramis Sessel vorbei. Es war der kürzeste Weg zu ihrer Tochter.
Ihre Schuhe schleiften über den Teppich. Kate ging gebückt weiter, sie wollte mit ihrer Tochter in einer Höhe sein, wenn sie das Mädchen ansprach. Das hatte sie auch so gehalten, als Millie noch lebte.
Noch einen Schritt, dann war sie dicht vor ihr. Plötzlich zuckte Kate zurück.
Sie hatte Millie gespürt…
Ein eiskalter Hauch war über ihre Hand geglitten, wie ein Gruß aus dem tiefsten Winter und trotzdem anders. Eine sanfte, eine trockene Kälte, mehr mit einem Streicheln zu vergleichen, aber auch mit dem Hineingleiten in eine fremde Welt.
Obwohl Millie eine Kerze in der Hand hielt, spürte Kate deren Wärme nicht. Ihre Ausstrahlung wurde vom Astralleib verschluckt, sie war nur noch in ihrer Helligkeit vorhanden.
Kate konnte kaum fassen, was hier passierte. Sie drückte ihre Hände höher, als wollte sie das Gesicht umfassen, aber auch durch den Kopf fasste sie hindurch.
Es war da und doch nicht vorhanden…
Ihr Mund formte den Namen, aber Millie rührte sich nicht. Sie blieb starr stehen, als gehorchte sie dem düsteren Todesengel, der wie ein böser Schatten hinter ihr aufragte.
Auch Kate stellte sich wieder hin. Aus nächster Nähe schaute sie noch auf das hölzerne Gesicht und fragte sich, aus welch einer Welt diese Gestalt wohl stammen würde.
Raniel war gekommen, um ein grausames Zeichen zu setzen. Er wollte vernichten, um damit zu beweisen, wie mächtig er war.
Schritt für Schritt ging Kate zurück. Es war nichts geschehen, aber dennoch stand fest, dass ihre eigene Hilflosigkeit immer mehr zugenommen hatte. Nicht allein das Zimmer, die gesamte Wohnung stand unter dem Bann des Unheimlichen.
Was würde er tun?
Er selbst rührte sich nicht vom Fleck, sondern schickte das Geisterkind vor.
Millie bewegte sich lautlos. Ein weißer Schatten glitt über den Teppich hinweg. Für ihn gab es keine Hindernisse. Selbst die den Docht umgebende Kerzenflamme bewegte sich nicht. Sie stand da wie ein nach oben gerichteter Daumen.
Hinter dem Sessel, in dem Kate gehockt hatte, blieb sie stehen. Vorn Raniel, dann sie.
Und dazwischen die beiden Künstler, die sich schon selbst vorkommen mussten wie Tote, denn so sahen sie auch aus.
Dann bewegte er sich.
Es war nur ein Rucken, als der Todesengel seinen Körper nach vorn beugte. Das hölzerne Gesicht senkte sich dabei dem ersten Opfer zu, dem blonden Ray.
Der konnte nicht weg. Zwar hielt er seine Hände gegen das Stirnband gepresst, aber dessen Kräfte reichten nicht aus, um sich gegen die des Todesengels zu stellen.
Er fasste zu.
Mit seinen langen Fingern umklammerte er die Gelenke des Mannes. Ein leichter Druck nur reichte aus, dann schaffte er es, die Arme des Menschen zur Seite zu biegen.
Ray starrte ihn an. In seinen Augen lag Angst. Er begann zu zittern, während Rami noch immer versuchte, durch die Macht des Stirnbandes mehr Widerstandskraft zu gewinnen.
In Schottland hatte es möglicherweise geklappt, da war er den Druiden nahe gewesen.
Hier nicht…
Mit
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