0683 - Die Verdammten der Nacht
aufgegeben.
Wie eine Schlafwandlerin schritt sie den Weg zurück.
Die Angst bohrte. Sehr langsam drückte sie die Glastür auf. Rechts lag die Kasse. Eine Frau saß dahinter. Sie schaute Brenda aus trüben Augen an.
Aufatmen, keine Bemerkungen mehr, jetzt das letzte Warten. Sie ging einfach weiter, hielt den Kopf gesenkt. Ihr heller Staubmantel stand offen. Darunter trug sie eine helle Hose und einen schwarzen Pullover mit gelben Schmetterlingen der unterschiedlichsten Größen.
Neben der Reklametafel blieb sie stehen. Eine kurze Drehung, dann konnte sie den Blick auf die Kinotür richten, ohne selbst sofort gesehen zu werden.
Für die folgende Vorstellung wurden bereits die Karten verkauft.
Allmählich füllte sich das Foyer. Auch draußen hatte sich eine erste Schlange gebildet.
Der Mann von der Kasse verkaufte jetzt Popcorn, Knabbergebäck und Getränke. Er hatte soviel zu tun, daß ihm Brenda Evans nicht einmal auffiel.
Sie schaute auf die Uhr.
Eigentlich mußte jetzt Schluß sein.
Kaum hatte sie sich mit dem Gedanken beschäftigt, da schwang die Kinotür nach draußen.
Die ersten Zuschauer verließen den Raum. Brenda spürte die Erregung. Der Schweiß klebte auf den Handflächen. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, um besser sehen zu können.
Andere rückten gegen sie vor, weil sie für die Kinogänger Platz schaffen wollten.
Brenda befürchtete, eingeklemmt zu werden. Mit einigen hastig gemurmelten Entschuldigungen verschaffte sie sich freie Bahn. Fast in Höhe des Popcorn-Automaten blieb sie stehen, wo sie auch der Schlag traf.
Da kam ihr Sohn!
Er lächelte sogar, aber er war zu weit weg. Zwischen ihm und seiner Mutter wogten die Menschen.
Sie wollte zu ihm.
Brenda holte Luft, um seinen Namen zu rufen. Schon im Ansatz blieb er in der Kehle stecken.
Es war ihr nicht möglich. Etwas drückte ihren Willen zusammen.
Und Mike sah sie nicht. Wie auch die anderen, so wandte er sich nach rechts, um im Strom der Besucher das Foyer zu verlassen.
Dann war er weg.
Das wollte sie nicht. Wenn Brenda sich auch nicht traute, ihn anzusprechen, sie mußte ihn einfach aus der Nähe sehen und anfassen können, damit sie fühlte, daß er aus Fleisch und Blut war.
Sie bahnte sich den Weg. Ziemlich rücksichtslos, hörte Proteste, entschuldigte sich, holte aber auf und atmete tief durch, als sie das warme Foyer verlassen hatte.
Mike ging vor ihr. Sie sah seinen Rücken und erkannte auch seine typischen Bewegungen.
Das mußte er nicht nur sein, das war er auch! Verflucht, das war ihr Sohn Mike.
Sie beeilte sich jetzt. Aus ihrem Mund drangen die keuchenden Atemzüge, die einen Namen formulierten.
»Mike!« rief sie jetzt. »Mike, du…«
Viel zu leise hatte sie gesprochen, viel zu leise. Um sie herum verteilte sich ein Stimmengewirr. Die Zuschauer sprachen über den Film. Manche waren noch immer bleich. Und nicht nur die weiblichen, auch die Männer schauten komisch.
Sie erreichte Mike. War nur noch einen Schritt hinter ihm. Ja, sie würde ihn…
Jetzt schaute sie ihn an. Sie wollte ihn aus der Nähe sehen, denn ihr Mike besaß ein untrügliches Zeichen, an dem sie ihn erkennen konnte. Ein Mal…
Mitten auf der Stirn wuchs die Narbe. Sie sah aus wie ein kleiner Balken.
Brenda überholte ihn, flatterte an ihm vorbei. Die Besucher hatten die Straße erreicht, sie verteilten sich jetzt. Dicht hinter ihr gingen drei Personen.
Ein blonder Mann wurde von einer jüngeren und einer älteren Frau begleitet. Besonders die ältere Person war von dem Film angetan. Sie lobte ihn in den höchsten Tönen und redete davon, wie echt doch alles gewesen war.
Das nahm Brenda Evans nur am Rande auf. Mike war wichtiger, viel wichtiger, und natürlich die Narbe.
Sie drehte sich um.
Nur sein Gesicht sah sie, nur sein Gesicht. Es bewegte sich, weil auch er sich bewegte. Die grauen Augen, das etwas zu runde Kinn, die leicht gebogene Nase, darüber die Stirn. Ziemlich breit, dann die blonden Haare, die jetzt glänzten.
Und die Narbe!
Sie war vorhanden. Der Balken war deutlich zu sehen. Viel intensiver als sonst.
Er stach ab.
Mike war – war ihr Mike!
Plötzlich erfaßte sie der Strudel. Brenda merkte noch, wie ihre Beine nachgaben, dann nichts mehr.
Sie war in Ohnmacht gefallen!
***
Ich hielt die Frau fest und wußte so recht nicht, was ich machen sollte. Sie war mir buchstäblich entgegengekippt. In einem Reflex hatte ich zugegriffen.
Um uns herum standen die Kinobesucher, sie schauten uns an, vor allen Dingen
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