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0689 - Die Irrfahrt des Mutanten

Titel: 0689 - Die Irrfahrt des Mutanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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dem Linearraum stand unmittelbar bevor. Thomas Kantenberg saß an einem der kleinen Tische in der Messe der TALLAHASSEE und nahm einen Imbiß zu sich. Er hatte weder Hunger, noch Appetit, aber er sagte sich, daß er Nahrung zu sich nehmen müsse, wenn er bei Kräften bleiben wollte. Außerdem betäubte die rein mechanische Tätigkeit des Essens ein wenig die nervenzehrende Spannung, die ihn erfüllte.
    „Sie sind ohne Zweifel der einsamste Mensch, den ich je gesehen habe", sagte eine weiche, dunkle Stimme dicht hinter ihm.
    Er wandte sich um und erblickte Zabel, die es fertig gebracht hatte, sich völlig geräuschlos zu nähern. Er blickte rasch in die Runde. Die Messe war so gut wie leer. An einem anderen Tisch saßen zwei junge Schiffsoffiziere. Sie und Thomas Kantenberg bildeten im Augenblick die einzige Kundschaft der automatisierten Kantine. Zabel hatte sich ihn also gezielt ausgesucht.
    „Sie schauen so entsetzt!" bemerkte sie verwundert. „Bin ich Ihnen unangenehm? Dann gehe ich wieder."
    Er schüttelte hastig den Kopf. Nur nichts sagen, schoß es ihm durch den Sinn. Natürlich konnte er sie vergraulen und sich so einer Unterhaltung entziehen. Aber das wäre aufgefallen.
    Kein normaler Mann hätte Zabel die kalte Schulter gezeigt, wenn sie so offensichtlich dartat, daß sie sich mit ihm unterhalten wollte. Schließlich legte sich seine Panik. Zabel war nichts weiter als eine latente Mutantin. Es geschah nur selten, daß ihre Fähigkeit zu aktivem Leben erwachte. Er brauchte sie nicht zu fürchten.
    „Nein, ganz gewiß nicht", antwortete er schließlich. „Bitte, setzen Sie sich!"
    Zabel ließ sich nieder.
    „Fürchten Sie sich vor dem Einsatz?" fragte sie offen.
    Am besten, überlegte Kantenberg, lenkst du die Unterhaltung auf ein unverfängliches Thema. Auf einen Zusammenhang, bei dem du nicht zu lügen brauchst.
    „Der Gedanke daran ist ein wenig unangenehm", gab er zu.
    „Mir auch", bekannte sie.
    Er musterte sie aufmerksam, und sie schien sich daran nicht zu stören.
    Sie lächelte. Er fand sie äußerst anziehend. Ihre großen, dunklen Augen waren ein wenig schräg geschnitten. Die Lippen waren voll entwickelt, und trotzdem wirkte der Mund klein. Sie war eine faszinierende Frau. Wenn er nicht...
    Was heißt „wenn ich nicht"? unterbrach er sich in Gedanken.
    Das war gerade das, wonach er gesucht hatte: ein unverfängliches Thema.
    „Zu zweit läßt sich das alles viel leichter ertragen", sagte er plötzlich.
    Ihr Lächeln verschwand. Die Augen nahmen einen fragenden Ausdruck an.
    „Wie meinen Sie das?"
    „Nun ... wie wir hier so sitzen und uns darüber unterhalten...
    das macht die ganze Sache schon viel einfacher."
    „Ach so", nickte sie.
    „Sind Sie nicht auch einsam?" erkundigte er sich.
    „Nicht einsamer als jeder andere in unserer Gruppe", antwortete sie unbefangen. „Sie natürlich ausgenommen. Sie sind ein ausgesprochener Eigenbrötler."
    Er lachte ein wenig.
    „Das könnte sich ändern", meinte er.
    „Unter welcher Bedingung?"
    „Kümmern Sie sich ein wenig um mich!"
    Plötzlich hatte sie Falten auf der Stirn.
    „Meine Güte, Sie waren aber leicht aus der Reserve hervorzulocken!" sagte sie voller Überraschung.
    „Ich bin schüchtern", versuchte er die Unterhaltung ein wenig ins Lächerliche zu ziehen. „Ich suche die Gelegenheit nicht. Ich warte, bis sie auf mich zukommt."
    „Aha!" ihre steil geschwungenen Brauen ruckten in die Höhe.
    „Und die Gelegenheit bin ich?"
    „Wer weiß?" orakelte Kantenberg.
    Plötzlich stand sie auf.
    „Sie sind eine Enttäuschung, Thomas Kantenberg", sagte sie kühl. „Ich wollte Sie ein wenig aufmuntern, damit Sie nicht immer abseits stehen, und Sie betrachten mich als Gelegenheit. Leben Sie wohl!"
    Kantenberg wollte ihr etwas nachrufen, aber sie hatte den Ausgang schon erreicht. Er wandte sich wieder seinem Imbiß zu und grinste vor sich hin. Eine Eroberung hatte er nicht gemacht, aber gelogen hatte er auch nicht. Denn es war nicht schwer gewesen, sich zu suggerieren, daß er Zabel wirklich haben wolle.
    „Wir haben eine Stunde, um Kontakt aufzunehmen und den Transfer durchzuführen", klang es aus den Helmempfängern.
    „Sie wissen alle, was das bedeutet. Wir haben keine Sekunde zu verlieren."
    Das war Krohls Stimme, die auf einmal gar nicht mehr gemütlich klang. Die TALLAHASSEE war vor knapp dreißig Minuten in einer Felsspalte, die tief in die Oberfläche des Felsklotzes einschnitt, gelandet. Das Einsatzkommando hatte sich

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