0689 - Die Irrfahrt des Mutanten
dem Einsatz teilnehmen wollte, mußten gewisse Mindestbedingungen erfüllen, ohne die die Übernahme eines der acht Bewußtseinsinhalte nicht auf längere Dauer möglich war. Die Suche war mit Eifer betrieben worden, aber von Panikstimmung war noch keine Spur: man wähnte Wabe 1000 vorläufig noch in Sicherheit und konnte sich Zeit lassen, um den am besten geeigneten Kandidaten zu finden.
Jetzt erst wurde offenbar, daß das Versteck der acht Altmutanten längst nicht mehr so sicher war, wie man gewähnt hatte - daß im Gegenteil ein Angriff auf die acht Bewußtseine unmittelbar bevorstand. Aber der Mann, der diese Botschaft überbrachte, war gleichzeitig auch derjenige, der das Problem der Mutantensuche löste. Thomas Kantenberg war ein latenter Mutant, dessen Fähigkeiten die genannten Mindestbedingungen längst erfüllten.
Es gab keinen Widerspruch gegen das Vorhaben des Lordadmirals mehr.
„Man wird nicht vergessen, was Sie getan haben!"
Bitterkeit wallte in Thomas Kantenberg auf, als Atlan ihm die Hand reichte. Also kam der „große Bahnhof" doch noch! Es wäre ihm lieber gewesen, wenn man ihn möglichst wenig beachtet hätte. Der Verräter liebt es nicht, von dem Verratenen gelobt zu werden.
„Oh, es war nichts, Sir", wehrte er ab und erwiderte den Händedruck. „Vor allen Dingen war es nicht das Ergebnis eines konkreten Planes, sondern das unerwartete Resultat einer Kurzschlußreaktion."
„Aus deren Folgen Sie das beinahe Mensehenunmögliche gemacht haben", fügte der Arkonide hinzu. „Sie sind der erste USO-Spezialist, der es fertiggebracht hat, ohne fremde Hilfe aus einem der pariczanischen Gefangenenlager zu entkommen." Als bemerke er, daß das Thema für Kantenberg peinlich war, wechselte er abrupt das Thema. „Wie fühlen Sie sich?"
„Fit für den Einsatz, Sir", antwortete Kantenberg stramm.
„Sie haben das Memo-Band bereits abgehört?"
„Sobald mir die Ärzte die Erlaubnis dazu geben, Sir."
„Sie haben keine Einwände?"
„Nein, Sir. Die Sache ist ungeheuer wichtig und verträgt keinen Aufschub. Ich weiß, daß Leticron vor hat Wabe 1000 bei nächster Gelegenheit in seinen Besitz zu bringen."
„Das entnahmen wir Ihrem Bericht. Sie sind Leticron persönlich begegnet, nicht wahr?"
„Ja, Sir. Diese Ehre ...", dabei verzog Kantenberg höhnisch das Gesicht, „... wird nicht jedem Gefangenen zuteil. Aber Leticron hatte in Erfahrung gebracht, daß ich für die USO arbeitete. Also wurde ich ihm vorgeführt."
„Man versuchte, von Ihnen Informationen zu erhalten?"
„Ganz gewiß. Ich wurde nach diesem und jenem gefragt, auch nach Wabe 1000. Aber ich konnte glaubhaft machen, daß ich in der USO nur eine untergeordnete Rolle spiele und keinerlei wichtige Kenntnisse besitze."
„Man stellte Sie nicht auf die Probe?"
Kantenberg schüttelte den Kopf.' „Nein, Sir, das tat man nicht. Sie wissen, daß Leticron ein Mutant ist?"
„Ja, aber er ist kein Telepath, der Ihre Gedanken lesen kann.
Ich bin mir darüber im klaren, daß Sie Ihre Gedanken verschleiern können. Aber gegen Leticron ließ sich diese Waffe nicht einsetzen, weil eben der Überschwere keine Gedanken lesen kann."
„Das ist richtig, Sir: Leticron ist kein Telepath. Aber er hat eine phantastische, fast hypnotische Gabe der Suggestion. Er bringt seinen Gesprächspartner dazu, die Welt durch seine, Leticrons, Augen zu sehen und für einen Vorteil zu halten, was in Wirklichkeit nur Leticrons Vorteil ist. Wenn ich ein normaler Mensch wäre, hätte es ihm keine Mühe bereitet, mich davon zu überzeugen, daß es in meinem eigenen Interesse sei, alles zu verraten, was ich über die USO weiß. Diese Kraft brachte er sicherlich zum Einsatz. Daß ich ihm trotzdem nichts verriet, muß für ihn der Beweis gewesen sein, daß ich tatsächlich nichts weiß.
Schließlich hat er ja keine Ahnung davon, daß ich gegen seine Tricks gefeit bin!"
Atlan nickte nachdenklich.
„Das ist die richtige Erklärung", meinte er. „Unsere Experten haben sich Leticrons Verhalten ebenso gedeutet." Er hing ein paar Sekunden seinen Gedanken nach, dann blickte er auf. „Sie fühlen sich den Mutanten gewachsen? Es wird Ihnen keine Schwierigkeit bereiten, ein paar Tage lang zwei Bewußtseine in Ihrem Körper zu beherbergen?"
„Ich selbst kann das Risiko kaum beurteilen, Sir", antwortete Kantenberg. „Ich nehme an, daß Ihre Fachleute sich alles sorgfältig errechnet haben und daß dieses Einsatzkommando kein Selbstmordunternehmen ist."
Der Arkonide
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