0689 - Die Irrfahrt des Mutanten
Transfer ohne Schwierigkeit vonstatten. Sie übernahm Betty Toufrys Bewußtsein, ohne mehr als jenen kurzen Schwindelanfall zu erleiden, den auch Krohl erfahren hatte. Die Übernahme der Mutanten verlief weiterhin planmäßig und war nach einer halben Stunde abgeschlossen. Als letzte übernahm das Mannweib den Bewußtseinsinhalt des Spähers Son Okura.
Über Funk rief Krohl die Leute von der TALLAHASSEE wieder herbei und trug ihnen auf, das technische Gerät abzubauen und zu verstauen. Er selbst mit seinen sieben Begleitern begab sich auf dem schnellsten Wege wieder an Bord des kleinen Raumschiffs zurück. Dort unterzogen sich die Mitglieder des Einsatzkommandos zunächst einer medizinischen Untersuchung, in der die Auswirkungen des Mutanten-Transfers auf ihre seelische und körperliche Konstitution ermittelt werden sollten.
Für die Diagnose selbst wurden ausschließlich positronische Sensoren eingesetzt. Der Schiffsarzt, ein kleines, quecksilbriges Männchen undefinierbaren Alters und mit dem eigenartigen Namen Paratü Hoplong, beschränkte sich darauf, die Anzeigen der Meßinstrumente abzulesen und hin und wieder einen kurzen Eintrag in ein Untersuchungsprotokoll zu machen.
Im großen und ganzen zeigte er sich mit dem Ergebnis der Untersuchung überaus zufrieden. Er versammelte die acht Bewußtseinsträger im Vorraum des Bordlazaretts und verkündete ihnen mit leuchtenden Augen: „Sie haben sich alle hervorragend gehalten! Bei keinem von Ihnen ist ein ernstzunehmender Schaden aufgetreten. Wir werden uns von nun an öfter sehen, da ich gehalten bin, wie ein Luchs über Ihren Gesundheitszustand zu wachen. Wenn ich aber eine private Meinung äußern darf, so möchte ich sagen, daß wir meiner Ansicht nach diese Reise ohne Zwischenfälle hinter uns und die für uns wertvollen Mutanten-Bewußtseine wohlbehalten an ihren Bestimmungsort bringen werden."
Tnomas Kantenberg fiel vorläufig ein Stein vom Herzen.
Er zog sich sofort in sein Quartier zurück. Er mußte mit sich allein sein, mit sich zu Rate gehen. Unten, im Felsengang, hatte er die Angst einfach beiseite geschoben, weil ihm keine andere Wahl blieb. Jetzt war es erforderlich, daß er sich über seine Lage klar wurde: bedeutete die Anwesenheit des Mutanten-Bewußtseins eine Gefahr für ihn oder nicht?
Er bedauerte zutiefst, daß er von der Psionik im Grunde genommen nichts verstand - und das, obwohl er selbst latente Psi-Gaben besaß. Wenn er tief in sich hineinhorchte, so vermochte er kaum noch, eine Spur der Anwesenheit des fremden Bewußtseins zu finden. Und dennoch wußte er ganz deutlich, daß es da war, daß es wachte und daß es all seine Geheimnisse im Nu durchschaut hätte. In welcher Form existierte der Mutant in ihm? War er ein aktives Bewußtsein, das auf neue Erkenntnisse reflektierte, Pläne entwickelte, zu handeln versuchte? Oder war es nur ein passiver Geist, der zwar Thomas Kantenbergs Vorhaben kannte, sich davon aber nicht beeindrucken ließ? Ging von Tako Kakuta wirklich Gefahr aus ... oder hatte er sich das alles nur eingebildet?
Er empfand es als merkwürdig, daß Kakuta zwar seinen Bewußtseinsinhalt, er aber nicht das Bewußtsein des Mutanten einsehen konnte. Er kannte das Prinzip nicht, wonach bei zwei im selben Medium residierenden Bewußtseinen jeweils dasjenige, das die Kontrollfunktionen ausübte, mit dieser Tätigkeit so beschäftigt war, daß ihm das andere Bewußtsein als undurchsichtig erschien. Das andere Bewußtsein dagegen hatte, da es nicht mit der Handhabung der Kontrollen zu tun hatte, soviel Kapazität frei, daß es mit seinem „inneren Auge" den Nachbarn verhältnismäßig mühelos durchdringen konnte. Das alles wußte Thomas Kantenberg nicht. Es war ihm lediglich klar, daß seine Absichten vor Tako Kakuta ausgebreitet lagen wie ein aufgeschlagenes Buch, während er von den Vorgängen in Kakutas Gedankenkreisen nicht die geringste Ahnung hatte.
Etwas vorschnell schloß er daraus, daß das Bewußtsein des Mutanten nicht besonders aktiv sein könne. Vermutlich befand es sich in einer Art Schlaf zustand. Der Aufenthalt - im Körper des latenten Mutanten brachte für Kakuta eine gewisse Unannehmlichkeit mit sich. Es lebte sich da nicht so gut wie in den PEW-Adern von Wabe 1000. Dieser Unannehmlichkeit, glaubte Kantenberg, entzog sich Kakuta dadurch, daß er einfach in tiefen Schlaf versank. Aus dieser Inaktivität des Mutantengeistes schließlich resultierte, daß Kantenberg ihn nicht zu durchschauen vermochte.
So
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