069 - Die Leiche aus der Kühltruhe
daß ich
träume«, begann sie zunächst stockend. Dann wurde ihre Stimme klarer und
sicherer. »Ich schlug die Augen auf und war sofort hellwach. Im Dämmerschein
des einfallenden Lichts sah ich die dunkle Gestalt, die sich fast lautlos auf
mich zubewegte. Dann fing ich an zu schreien. Ich drückte mich in die äußerste
Ecke, weil ich keine Chance sah, aus dem Zimmer zu fliehen und mich an dem
unheimlichen Besucher vorbeizudrücken. Er schnitt mir den Weg zur Tür ab, die
verschlossen war. Ich konnte nichts anderes tun als schreien. Ich glaubte,
endgültig den Verstand zu verlieren, als sich der Fremde, das Phantom, auf mein
Bett zubewegte und zum Kopfende hochkam. Die kalten, eisigen Finger berührten
meine Haut. Und dann sah ich etwas, das eigentlich nicht sein kann, Larry.«
Hier
unterbrach sie sich.
»Reden Sie
weiter, Sandy!«
»Das Phantom
verschwand einfach durch die Wand, Larry. Können Sie das verstehen?«
»Verstehen
nicht, Sandy. Genausowenig wie Sie. Aber ich bin fest davon überzeugt, daß Sie
die Wahrheit sagen«, erwiderte Larry Brent sofort. »Mir verschwand der Bursche
auch zu schnell. In Luft kann er sich nicht aufgelöst haben. Oder doch? Das
allerdings wäre ein ganz neuer Trick, den ich noch nicht kenne.«
Jetzt vertrug
Larry auch noch einen Tequila.
Es blieb eine
aufregende Nacht.
Sally Jovlin
zog sich mit ihrer Tochter ins Elternschlafzimmer zurück. Fenster und Türen
wurden verschlossen. Gewohnheitsmäßig ging man von diesen Dingen nicht ab. Man
fühlte sich sicherer, wenn man wußte, daß das Haus verriegelt und verschlossen
war, obwohl Larry nun aufgrund der besonderen Ereignisse fest überzeugt davon
war, daß auch Wände und Türen nichts mehr nutzten.
Doch das
Gefühl der Geborgenheit war durch nichts anderes zu erwecken.
Gemeinsam mit
Andrew Jovlin reparierte Larry die Haustür. Material und Werkzeug gab es zur
Genüge, so daß nach einer knappen Stunde die Haustür massiver war als zuvor.
In den frühen
Morgenstunden, als es bereits zu dämmern anfing, kam Larry endlich ins Bett.
Andrew Jovlin
hatte verlauten lassen, daß er sich nicht mehr hinlegen würde. Er setzte sich
auf die klapprige Bank vor der weißgetünchten Wand seines Hauses, schlug die
Beine übereinander und wartete, bis im Osten die Sonne aufging.
Der Himmel
färbte sich blutrot. Ein erster Greyhound-Bus passierte die abseits gelegene
Tankstelle. In den nächsten beiden Stunden kamen auch drei Autos vorbei, die
entweder Richtung Austin fuhren oder von dort kamen.
Ein Fahrer
tankte einige Gallonen. Er war auf dem Weg nach Brandera, einem kleinen Ort
abseits der Hauptstraße, noch rund hundert Meilen entfernt.
Der Fahrer,
der seit zwei Tagen unterwegs war, ließ die neueste Zeitung aus Austin zurück,
um Jovlin Gelegenheit zu geben, sich mit den letzten aktuellen Meldungen
vertraut zu machen.
Gegen sechs
Uhr morgens verließ Larry den Gästebungalow und fand Andrew Jovlin lesend vor
dem Haus. Im Innern des Gebäudes war noch alles ruhig. Die beiden Frauen
schliefen.
Andrew Jovlin
bereitete einen starken Kaffee und ein kräftiges Frühstück, bei dem Schinken
und Eier nicht fehlten.
Danach führte
Larry ein Gespräch mit seinem Freund Henry Keller.
»Es scheint
doch ein offizieller Fall zu werden«, schloß Larry. »Am besten wird es sein,
wenn ich mit dem Zug nach Austin komme und meinen fahrbaren Untersatz abhole,
damit ich beweglich bin. Wir sehen uns im Lauf des Tages noch. Das Goldkind werde
ich mitbringen, wenn es dir recht ist. Ich möchte sie in den nächsten Tagen so
wenig wie möglich alleinlassen.«
Nach dem
Gespräch mit Henry verließ Larry das Haus. Er sagte zu Jovlin, daß er sich ein
wenig in der näheren Umgebung umsehen wolle. Das tat er auch. Die Spuren der
letzten Nacht endeten tatsächlich an der Stelle, wo der Flüchtling im Schutz
der Dunkelheit untergetaucht war. Die Fußspuren hörten einfach auf.
Nachdenklich
scharrte Larry mit dem Fuß in dem von der Sonne ausgedörrten Boden, als könne
er hier in der Erde erkennen, was wirklich geschehen war.
Er wanderte
zwischen dem dornigen Gestrüpp und den mannshohen Kakteen umher. Aus der
Einsamkeit schließlich brachte er eine Nachricht für X-RAY-1 auf den Weg. Larry
fühlte sich verpflichtet, seinem Chef in New York die mysteriösen Vorfälle
mitzuteilen. Er brauchte nicht erst um Erlaubnis zu bitten, ein paar Tage
länger bleiben zu dürfen. Es verstand sich von selbst, daß er sich automatisch
einschalten konnte, wenn er einen
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