069 - Die Leiche aus der Kühltruhe
er in die Metallhülse zum Tiefgefrieren
geschoben wurde.
Er fragte
sich, wieviel Zeit wohl seit seiner Ohnmacht verstrichen war. Allzulange konnte
es nicht her sein. Laut Testament durfte die Einfrierung durch die Future Life
Corporation erst nach Eintritt der Starre erfolgen.
Er war steif,
konnte keinen Finger rühren und war nicht einmal imstande, das Augenlid zu
heben oder zu senken. Damit hätte er sich jetzt bemerkbar machen können.
Etwas dröhnte
in seinen Ohren. Es ging durch einen langen, menschenleeren Gang. Nur
Geräusche. Keine Stimmen. Dann legte sich ein grauer Schatten über ihn. Ein
Tuch wurde über sein Gesicht gelegt.
Wallace
wollte schreien und sich durch irgendein Geräusch bemerkbar machen. Er glaubte,
sich erinnern zu können, wie es gewesen war, als er noch die Lippen bewegte,
und für den Bruchteil einer Sekunde war ihm auch, als wisse er, welche Muskeln
in seinem Gesicht dafür zuständig waren. Aber dann tat sich doch nichts.
Nur sein
Gehirn funktionierte auf eine rätselhafte, unerklärliche Weise. Alles andere
war tot, abgestorben.
Er wurde in
einen länglichen Behälter gesteckt, dann klappte ein Deckel über ihm zu. Völlige
Dunkelheit hüllte ihn ein. Gleichzeitig kam die Angst wieder, eine Angst, wie
er sie zu Lebzeiten nie gehabt hatte.
Spätestens
jetzt mußte alles zu Ende gehen! In dieser Kiste mußte er den Tod finden, wenn
er nicht schon tot war. Er war von der Sauerstoffaufnahme abhängig. Auch wenn
er für die Umwelt nicht sichtbar atmete, so mußte er doch über die Lungen
Sauerstoff aufnehmen.
Die Zeit
verging. Er wußte jedoch nicht zu sagen, ob eine Viertelstunde, eine halbe oder
gar eine ganze Stunde verstrich. Es war wie in einem Traum. Jegliches
Zeitgefühl war Gerome Wallace verlorengegangen.
Und das
brachte ihn auf eine neue Idee.
Vielleicht
war dieser ganze Spuk ein Traum?
Wundern würde
ihn das nicht. Die ganzen Wochen und Monate zuvor hatte er schon an nichts anderes
mehr gedacht als an seine Krankheit und seine Beerdigung durch eine
kryobiologische Gesellschaft. Er redete nur noch davon und machte sich Gedanken
darüber.
Das alles war
ein Traum! Er brauchte nur aufzuwachen, und er würde sich nach der Gesellschaft
bei Frank Morton sicher und ausgeruht in seinem Bett finden.
Natürlich, so
war es. Eine andere Möglichkeit war ausgeschlossen. Würde er in einem Sarg
liegen, dann hätte er schon jetzt die Auswirkungen zu spüren bekommen müssen.
Aber da war kein Luftmangel, kein Schwindelgefühl.
Euphorie
erfüllte ihn. Er wollte aufwachen, jetzt, da er wußte, daß es nur ein Traum
war.
Aber er
wachte nicht auf, und die Angst und das Grauen kamen wieder.
Dann hielt
der Wagen, mit dem er transportiert wurde. Stimmengemurmel von draußen klang an
Gerome Wallaces Ohr. Doch er verstand kein Wort.
Dann wurde
die Tür des Transportraumes aufgezogen und der Sarg herausgenommen, wenig
später der Deckel geöffnet.
Mehrere
verschwommene Gestalten tauchten in seinem Blickfeld auf, ergriffen ihn und
legten ihn auf eine Art Metallplattform.
Eine bisher
unbekannte Stimme spielte auf die geöffneten Augen von Wallace an. »Habt ihr
das nicht ändern können?« fragte die Stimme.
»War schon
so, als wir ihn abholten«, maulte die ölige Stimme.
»Wird für die
Frau nicht gerade erfreulich sein, ihrem toten Gatten in die Augen zu starren.
Sieht fast
aus, als würde er noch leben«, fügte der erste Sprecher hinzu.
Ja, ich lebe!
wollte Wallace schreien. Aber es schrie nur in seinen Gedanken. Niemand
reagierte.
Er wurde in
eine Metallhülse geschoben. Die Sicht wurde für ihn etwas günstiger. Er sah
nicht mehr alles wie durch eine Glasscheibe. Die Konturen wurden schärfer. Aber
dafür war sein Blickfeld jetzt eingeengt, und er hatte das Gefühl, durch eine
Röhre schauen zu müssen, deren schwarzer Rand ständig links und rechts neben
seinen Augen lag.
Dann kamen
noch mehr Menschen. Er lag unter einer Art Glasglocke und konnte bekannte
Gesichter an sich vorbeiziehen sehen.
Zuerst kam
Linda. Sie war ganz in Schwarz gekleidet. Weiß wie Marmor war ihr Gesicht.
Ihre Augen
waren rot gerändert. Lang und stumm sah sie ihn an. Ihre Blicke schienen sich
fest mit den seinen zu verbinden.
Sie war
traurig, aber gefaßt. Sie hatte gewußt, daß die Trennung unmittelbar
bevorstand.
Aber geglaubt
hatte sie es wohl nicht.
Sie löste
ihren Blick von seinen leeren, starrenden, toten Augen. Es schien, als müsse
sie sich mit Gewalt davon losreißen. Trauer und
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