069 - Die Leiche aus der Kühltruhe
ungewöhnlichen Fall verfolgen konnte.
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Ihr dürft
mich nicht begraben! Ich bin nicht tot!, hämmerten seine Gedanken.
Es war zum
Verzweifeln! Siedendheiß durchrieselte es seinen Körper. Gerome Wallace wollte
sich aufrichten, doch sein Körper war stocksteif. Er wollte schreien und sagen,
daß man ihn nicht einfrieren durfte, doch seine Stimme versagte ihm den Dienst.
Seine Augen
waren weit geöffnet, die Iris ins Unendliche erweitert. Er sah, daß eine große,
graue Hand in sein Blickfeld kam, sich über seine Augen legte und die Finger
versuchten, seine Augenlider herunterzudrücken, aber das gelang nicht.
»Das ist bei
dem Herrn vergessen worden, scheint mir«, sagte eine ölige Stimme.
Gerome
Wallace versuchte, seinen Kopf in die Richtung des Sprechers zu drehen, doch es
gelang ihm nicht. Jemand schien seinen Schädel auf ein Brett genagelt zu haben,
so fest saß er auf der Stelle.
»Kann ich
nicht verstehen«, sagte eine andere Stimme. Der Sprecher in dem dunkelgrauen
Kittel trat in Gerome Wallaces Blickfeld. Der Industrielle sah die Gestalt wie
hinter einer Milchglasscheibe und aus einer perspektivisch verzerrten Sicht.
»Das hätte
man doch tun können, ehe die Starre eintrat. Jetzt klappt es nicht mehr.«
Wieder die
Hand, die nach vorn kam, versuchte die Augenlider nach unten zu drücken.
Wallace
empfand keinen Schmerz und keine Berührung. Wie leblos lag er da.
»Macht nichts«,
sagte da die ölige Stimme wieder. Wallace nahm den Klang wahr, als würde hinter
einer dicken Wattewand gesprochen. »Dann kommt er eben mit offenen Augen in die
Röhre.« Der Sprecher lachte. »Der sieht sowieso nichts mehr. Dürfte nur ein
bißchen komisch für die Angehörigen sein, wenn der mit seinen toten Augen in
die Gegend glotzt.«
Wallace wurde
gewahr, daß das Brett oder die Bahre, worauf er lag, bewegt wurde. Er versuchte
sich darüber klar zu werden, was geschehen war.
Seine
Erinnerung setzte an der Stelle ein, als er einen zweiten Schwächeanfall im Auto
erlitten hatte. So intensiv und stark hatte er keinen zuvor erlebt.
Nach dem, was
er seit seinem Wiedererwachen registriert hatte, ließ das darauf schließen, daß
diesem jetzigen Vorgang eine ärztliche Untersuchung vorausgegangen war.
Er war für
tot erklärt worden!
Aber er war
nur scheintot! Und kein Mensch merkte es!
Er hatte
schon von solchen Fällen gelesen. Erst kürzlich hatte man eine alte Frau in die
Leichenkammer gestellt. Dort war sie nach einem Tag wieder aufgewacht und
herausgekommen.
In wievielen
Fällen jedoch war der Eintritt meßbarer Reaktionen erst viel später erfolgt,
als der Betreffende schon im Grab lag?
Übelkeit
stieg in ihm auf, als er sich vorstellte, daß auch bei ihm ein solcher Fehler
unterlaufen sein könnte.
Linda, gellte
es durch sein Gehirn. Sie würde ihn noch einmal zu sehen bekommen. Ihr würde
doch auffallen, daß er nicht tot sein konnte.
Aber ich kann
denken, sagte er sich mit einem Mal. Denken kann man nur, wenn das Gehirn
funktioniert. Das Gehirn wiederum kann nur funktionieren, wenn es mit
Sauerstoff versorgt wird. Und für die Sauerstoffversorgung ist das Herz
zuständig. Also muß es doch schlagen.
Er lauschte
in sich hinein.
Aber da war
nichts. Er vernahm kein Pochen. Er merkte auch, daß er nicht atmete. Dann war
er also doch tot!
Ein Gefühl,
als ob jemand eiskaltes Wasser über ihn gösse, ergriff von ihm Besitz.
Das also war
der Tod! Man bekam alles mit, aber man konnte sich nicht bemerkbar machen.
Man spürte,
wenn sie einen in den Sarg legten, wenn sich der Deckel schloß; man hörte, wenn
die schwere Erde auf die Totenkiste fiel, wenn das Grab schließlich vollends
zugeschaufelt wurde. Das alles erlebte man mit. Was aber geschah dann, wenn man
unentrinnbar im Grab lag? Dann kamen die Würmer und Maden und erfüllten ihren
Lebenszweck.
Aber auch das
bekam man dann doch noch mit…
Gerome
Wallace merkte, daß sich seine Gedanken in Bereichen verloren, wo es besser
war, nicht mehr weiterzudenken.
Er bemühte
sich, die quälenden Fragen und Überlegungen zur Seite zu schieben. Es fiel ihm unsäglich
schwer.
Er versuchte,
sich Ruhe und Gelassenheit einzureden und der Dinge zu harren, die da auf ihn
zukommen sollten.
Etwas anderes
blieb ihm nicht übrig, sagte er sich.
Er war bei
vollem Bewußtsein, konnte denken, hören und sogar sehen, wenn man das graue,
vernebelte Bild, das er empfing, als Sehen bezeichnen konnte. Sicher würde noch
einmal eine Untersuchung erfolgen, ehe
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