0692 - Herr der Schattenburg
hatte das Gefühl, als würde sie aus einer anderen Welt stammen, als wäre da etwas Fremdes, Böses hervorgekrochen, das nicht zu uns paßt.«
Fred Morland hatte sehr genau zugehört. Er hütete sich davor, nur ein Lächeln zu zeigen. Seine Frau hatte mit einem derartigen Ernst gesprochen, daß ihm das Lächeln vergangen wäre. Und er mußte sich eingestehen, daß ihm die Worte ebenfalls so etwas wie einen Schauer über den Rücken jagten.
»Ja«, sagte er, »wenn das so ist…«
»Fahren wir weiter?«
»Ich werde nachschauen!«
Drei Worte, ein Satz. Aber auch ein Satz, der den Schrecken wie Eis durch die Adern der Frau schießen ließ, so daß sie vor ihrem Mann stand und erstarrt war.
Sie rührte sich nicht, sie stierte ihn an, nur die Augenlider zuckten.
»Nein… nicht…«
Fred hob die Schultern. »Warum nicht? Ich werde die Taschenlampe nehmen und mich auf den Weg machen. Das ist doch nicht verboten - oder wie sehe ich das?«
»Nein, es ist nicht verboten!«
»Aber?«
Sie huschte an ihm vorbei. Genau drei Schritte benötigte sie, um die Tür zu erreichen. Dort blieb sie stehen, legte den Kopf zur Seite und lauschte.
»Was ist denn?«
Ann streckte Fred den Arm entgegen. »Ich… ich… höre Schritte…«
»Unsinn!«
»Doch, Fred, doch!«
Der Klang ihrer Stimme flößte ihm Furcht ein. Plötzlich hatte sich auch für ihn die Lage verändert.
Alles war anders geworden. Er war von der Besorgnis seiner Frau gepackt worden. Das Wohnmobil, so breit es auch war, zog sich plötzlich zusammen. Die Wände wuchsen aufeinander zu, die Schatten verdichteten sich, die Stille verwandelte sich in einen schwammigen Sumpf der Angst.
Er hörte die Schritte auch.
Wer immer da draußen vorbeigehen mochte, er sorgte nicht dafür, daß er leise ging. Er ging normal, und er kam tatsächlich auf den Wagen der Morlands zu.
»Ist das normal?« wisperte Ann.
»Nein - nicht…«
»Wir müssen weg, wir…« Ann stoppte mitten im Satz. Sie stand da, ohne sich zu rühren, und trotzdem bewegte sie sich, ebenso wie ihr Mann.
Das lag an den Kräften, die sie nicht beeinflussen konnten, weil an der Außenhaut des Wohnmobils gerüttelt wurde. So stark, daß der gesamte Wagen ins Schwanken geriet.
Beide starrten sich an.
»Wer… was ist das, Fred?«
»Weiß nicht…« Auch er war bleich geworden. Auf seinem Gesicht glänzte der Schweiß in Tropfen.
Dann hörten sie noch etwas.
Nicht sehr laut, eher verhalten, aber einen Klang, der wie eine Sirene des Grauens an ihre Ohren drang.
Es war ein schreckliches Heulen…
***
Wir fuhren und wußten nicht, ob wir das Richtige getan hatten. Obwohl wir uns nicht abgesprochen hatten, waren wir beide derselben Meinung, denn Suko fing damit an.
»Ich weiß nicht«, sagte er, »aber ich habe den Eindruck, als wollte man uns in die Irre laufen lassen.«
»Wie kommst du darauf?«
»Ich weiß es nicht.«
Da wir London auf dem kürzesten Weg erreichen wollten, mußten wir den Motorway nehmen, obwohl wir uns nicht weit von dieser Metropole entfernt befanden, aber das Gebiet gehörte rechtmäßig nicht mehr zu Englands Hauptstadt.
Wir rollten einige Meilen in Richtung Norden. Die Nacht wurde immer klarer. Da ich fuhr und mich auf die Straße konzentrieren mußte, konnte Suko den Himmel beobachten und somit auch das Spiel der Wolken, die so aussahen, als würden sie flüchten, wobei eine es nicht schaffte, die andere einzuholen.
Durch die Lücken schien der Mond alles zu beobachten.
Wir hingen unseren Gedanken nach und möglicherweise auch den Kopfschmerzen.
Weder Suko noch ich waren davor gefeit, die Schläge hatten Wirkung gezeigt.
Dennoch war der andere Druck stärker.
Wir konnten ihn nicht beschreiben, er war einfach da, vielleicht war es ein Wissen, möglicherweise auch die Furcht vor der Zukunft, da kam einiges zusammen.
»Es gefällt mir nicht«, murmelte ich.
»Stimmt.«
Ich blieb auf der linken Seite und steigerte das Tempo nicht. »Weshalb widersprichst du mir nicht?«
»Sollte ich das denn?«
Ich schaute Suko kurz an. »Wir tappen beide im dunkeln. Wir wissen, daß etwas vorgefallen ist, aber wir kommen nicht weiter.«
»Und was ist vorgefallen?«
»Daß ich in eine Achterbahn gelockt werde, ein Mann mit weißem Bart zu mir steigt, seinen Namen nicht einmal nennt und mich auf die Spur einer gewissen Nora Shane bringt, die angeblich seine Tochter sein soll, es aber nicht ist, weil ihr Vater schon unter der Erde liegt. Dennoch höre ich bei Nora Shane etwas von
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