0692 - Herr der Schattenburg
gespürt hatten, daß sich etwas anbahnte.
Wir hatten nichts, wonach wir uns hätten richten können. Einzig und allein auf die Richtung mußten wir uns verlassen, auf die Spuren nicht mehr, die waren entweder nicht vorhanden oder verschwunden.
Wußte die andere Seite, daß sie verfolgt wurde? Ich ging einmal davon aus und stellte mich darauf ein. So würden wir wenigstens keine zu schlimmen Überraschungen erleben.
Mir wollte das Bild des Werwolfs nicht aus dem Sinn. Ich konnte nur hoffen, daß es bisher der einzige Veränderte war, abgesehen von den Bestien, deren Heulen ich gehört hatte.
Um Nora Shane tat es mir sehr leid. Sie war eine Frau gewesen, die sich eine neue Zukunft hatte aufbauen wollen und brutal aus diesem Traum herausgerissen worden war.
Vorbei - endgültig…
Den bitteren Geschmack von Galle hatte ich im Mund und verzog die Lippen.
Das hatte Suko gesehen. Er blieb stehen und sprach gegen den kühlen Wind, der unsere Kleidung blähte. »Hast du was?«
»Ich dachte an Nora Shane.«
»Wie war sie?«
»Sie stand voll im Leben.«
Mein Freund nickte. »Diese verfluchten Bestien. Man sollte sie vernichten…«
»Erst mal finden.«
Mein Freund deutete in die Dunkelheit hinein. Er beschrieb dabei mit der Hand einen Bogen und zeichnete eine dunkle Wand nach, die Grenze eines im Halbkreis gewachsenen Waldstücks.
»Da könnten sie sich versteckt halten. Das wäre auch zeitlich für sie zu schaffen gewesen.«
»Ich denke auch.«
Wir gingen weiter.
Es war so wie immer. Wenn man in der Nacht sich auf ein Ziel zubewegt, hat man leicht den Eindruck, daß dieses Ziel nie näher kommen würde.
Auch uns kam es vor, als wäre das Waldstück meilenweit entfernt. Eine dunkle, schaurige Insel, gefüllt mit etwas Geheimnisvollem, an das wir nicht herankamen.
Dort rührte sich auch nichts.
Nur der Wind, der einzige Bote, der uns aber keine Nachricht zurückbringen würde.
Nach einigen Minuten hatten wir dann das Gefühl, es bald geschafft zu haben.
Und es passierte etwas.
Zunächst merkte ich es, denn mein Kreuz strahlte plötzlich die Blitze in alle vier Richtungen hin ab.
Sofort blieb ich stehen.
Bevor Suko eine Frage stellen konnte, deutete ich auf meine Brust. Er verstand und nickte.
Beide warteten wir ab.
Ich hob die Arme, tastete über meinen Hals und fand die schmale Silberkette, an der das Kreuz hing.
Vorsichtig zog ich es hoch, ließ es für einen Moment auf meinem Handteller liegen und drehte es so, daß auch Suko es anschauen konnte.
Das Kreuz war zwar normal geblieben, aber sein Flimmern zeigte an, daß es etwas aufspürte. Besonders an den vier Enden, wo sich die Buchstaben befanden, zuckte Licht hin und her, blieb aber auf das Kreuz beschränkt und löste sich nicht.
Suko wartete vergeblich auf meine Erklärung. Schließlich fragte er danach.
Ich hob die Schultern. So allein auf dem flachen Feld kamen wir uns irgendwo verloren vor. »Ich kann es dir nicht sagen. Manche würden meinen, daß die Luft mit Elektrizität gefüllt ist. Ich sehe das anders. Diese hier ist mit Magie gefüllt.«
»Die auch ein Zentrum hat.«
»Ja, den Wald…«
Meine Stimme versickerte. Beide drehten wir uns um und schauten wie auf einen geheimen Befehl in die entsprechende Richtung, wo dieser dunkle Saum lag.
Er kam uns noch dunkler vor als die übrige Landschaft und schien von irgend etwas eingepackt zu sein.
Die Stille war da. Selbst der Wind wehte kaum noch. Die Luft drückte wie eine Bleiwand.
Als ich vorging, raschelte das Gras lauter als sonst um meine Füße. Ich ließ den Wald nicht aus den Augen, und Suko schaute ebenfalls in die Richtung.
Dort tat sich etwas.
Wenn es Lücken zwischen den Bäumen gab, waren sie jedenfalls so klein und eng, daß wir nicht hindurchschauen konnten. Die Bewegung war auch mehr zu ahnen.
Etwas blitzte auf!
Kurz nur, als hätte jemand eine Taschenlampe ein- und sofort wieder ausgeschaltet.
Aber das Blitzen blieb, es stieg an, es gewann sogar an Höhe, und plötzlich war es über den Bäumen.
Ich hielt den Atem an.
Für einen Moment überfiel mich der Eindruck, eine große Münze zu sehen, die in die Höhe geworfen worden war und sich dabei um die eigene Achse drehte.
Dann fiel sie zurück.
Es wurde wieder dunkel…
Wir waren nicht stehengeblieben und vorgegangen. Suko und ich wußten, daß etwas Entscheidendes bevorstand. Der Zufall hatte uns zur richtigen Zeit kommen lassen.
Und dann geschah das Phantastische, das Unerklärliche. Als wäre der Wald
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