0697 - Der Leichenholer
Ihre Augen funkelten dabei. Es hätte nur noch der Besen gefehlt, und sie wäre perfekt gewesen. Wer so reagierte, der hatte noch einen Trumpf in der Hinterhand. Zudem machte sie auf mich einen erleichterten Eindruck, als hätte sie irgendetwas überstanden, weil eine gewisse Zeit verstrichen war.
Mich überkam ein Prickeln. Ich schaute Edna an und hatte den Eindruck, hinter ihrem Gesicht noch ein Zweites zu sehen. Eine widerliche Fratze, bestehend aus weißen Knochen, aber mit einem Mund versehen, der ein höhnisches Grinsen zeigte.
War diese Person noch normal? Bildete ich mir etwas ein? Wir waren hergekommen, um einen Fall zu lösen, um uns mit einem rätselhaften Maler zu beschäftigen. Wir wussten nicht genau, um was es ging. Bei der ersten Besprechung war über den Vampirismus geredet worden, der Name Mallmann war gefallen, bisher jedoch hatten wir hier in La Rostelle noch keine Spur von einem Blutsauger entdeckt.
Aber wir kannten auch nur die Küche des Hauses. Was sich in den weiteren Räumen abspielte, wussten wir nicht.
Ich räusperte mich und winkte Edna zu.
»Was wollen Sie?«
»Eine kostenlose Besichtigung«, erklärte ich ihr. »Ich möchte mir gern das Atelier anschauen.«
»Sofort?«
»Sicher.«
Sie hob die Schultern und ging vor. Suko und ich sahen uns nur verwundert an…
***
Er fühlte sich kräftig, gut - einfach top! In seinen Adern brauste das Blut, aber es war nicht sein Blut, das dieses stürmische Gefühl bei ihm auslöste, es war das Blut einer Fremden, einer Frau, die er zu sich bestellt hatte.
Sie hieß Colette Mercier, und sie lag auf dem dunklen Sofa vor ihm wie hingegossen.
Nur eine Lampe brannte in seinem Atelier. Sie stand ziemlich weit vom Mittelpunkt entfernt, den die vier großen, auf Staffeleien stehenden Bilder allein durch ihre Anwesenheit zu dem machten, wozu er vorgesehen war.
Ein Wunder, vier Kunstwerke, wobei eines von ihnen noch nicht fertig war.
Drei Bilder zeigten ebenfalls Zentren. In einem Rausch von Farben hatte der Maler einen Mittelpunkt kreiert und jeweils drei wunderschöne junge Frauen gemalt. Sie passten in die Kunstwerke hinein, weil sie dermaßen gut gewachsen waren, dass sie selbst nur als Kunstwerke bezeichnet werden konnten.
Ja, er hatte Geschmack.
Und jetzt lag die vierte Person vor ihm.
Während er einen Stock tiefer Geräusche hörte, die ihm nicht gefielen, die er jedoch überging, kniete er vor dem Sofa nieder, um sich das Gesicht der Colette Mercier genauer anzusehen.
Es war entspannt.
Die Züge erinnerten ihn an weiche Watte, die Augen waren halb geschlossen, die dunklen Pupillen bildeten Halbmonde darunter. Der Mund war ebenfalls weich, nicht verzerrt, sondern zeigte Formen, die denen eines Malers würdig waren.
Er lächelte, er hob seine rechte Hand und strich über die rechte Wange.
Sein düsteres Äußeres verschmolz mit den Schatten innerhalb des Ateliers, die so aussahen, als würden sie aus dem Boden steigen, um alles zu umfangen.
Auch den Maler…
Er liebte die Schatten, er war ihr Freund, und er fühlte sich in der Nacht wohl.
Sehr langsam drückte er sich in die Höhe, streckte die Arme aus und dehnte sie. Er bewegte dabei auch seine Hände, um sie geschmeidig zu machen. Rafugil wusste, dass die Frau noch einige Zeit benötigen würde, um in ihr neues Leben einzusteigen.
Der Maler bewegte sich durch sein Atelier.
Jedes Aufsetzen des Fußes, jede Berührung glich einem leichten Schweben. Er ging so wie ein Tänzer, der eine lange Ausbildung genossen hatte.
Auf seinen Lippen lag ein Lächeln. Es wirkte jedoch kalt, wie eingefroren, gleichzeitig auch lauernd, und er blieb plötzlich stehen, als wäre er von einer starken Empfindung getroffen worden.
Was auch stimmte.
Sein Blick war auf den Beginn der Treppe gerichtet. Die Stufen führten abwärts, waren aus Holz gefertigt, sodass es schon einer artistischen Leistung gleichkam, wollte man sie lautlos begehen.
Es kam auch niemand hoch, etwas anderes hatte ihn aufmerksam werden lassen, und seine scharf geschnittene Nase bewegte sich in Höhe der Nasenflügel.
Er roch, er schnupperte…
Etwas wehte von unten her hoch.
Ein Geruch…
Er wurde nervös.
Den Geruch kannte er, er genoss ihn, denn er machte ihn stark, wenn er die Flüssigkeit trank, die den Geruch abgab.
Blut!
Seine Hände schlossen sich zu Fäusten, öffneten sich wieder. Er kratzte mit den Fingernägeln über die rechte Handfläche, auf seiner Stirn zuckte die Haut.
Blut konnte er nicht genug
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