0698 - Karneval des Todes
Mann flog auf die Insel zu, sich um die eigene Achse drehend.
Der Arlecchino erwartete ihn bereits, den Spachtel in beiden Fäusten.
***
Ann Kingsley starrte gelähmt vor Entsetzen auf die bizarre Szene. Für einen Moment erinnerte sie der Maskierte mit seinem Spachtel sogar an einen Baseballspieler daheim in den Staaten.
Doch dieser Vergleich hinkte.
Denn der Arlecchino zielte nicht auf einen Ball.
Stattdessen schlug er dem Fahrer des Motorboottaxis den Kopf ab!
Die junge Amerikanerin war halb wahnsinnig vor Entsetzen.
Innerhalb von zwei Minuten hatte sie miterleben müssen, wie ihr Freund und ein unbekannter Einheimischer brutal ermordet wurden.
Ann Kingsley wusste nicht, ob diese Gestalten Dämonen waren. Oder psychopathische Killer.
Für sie gab es nur noch einen Gedanken: Flucht!
Kurz entschlossen stürzte sich die junge Frau in das eiskalte Wasser des Canale di Fondamenta Nuove.
Sofort sogen sich ihre Kleider mit der öligen Flüssigkeit voll. Unerbittlich wurde die Amerikanerin nach unten gezogen. Doch sie spannte ihre Muskeln an und schwamm um ihr Leben.
Es nützte nichts.
Entsetzt musste Ann feststellen, dass sie nicht vorwärts kam!
Es war wie in einem Albtraum, in dem man wegläuft, sich aber nicht von der Stelle rühren kann.
Ann aktivierte ihre letzten Kraftreserven. Sie schluckte Wasser, als sie verzweifelt aufschrie. Doch niemand hörte ihre Hilferufe.
Weit vor sich sah sie die Lichter der uralten Lagunenstadt. Doch in diesem Moment waren sie so unerreichbar wie der Mars.
Ann wurde von einer unsichtbaren Macht zur Toteninsel zurückgezogen!
Der Pestarzt, Arlecchino und Moretta stimmten ein schauriges Hohngelächter an. Die Amerikanerin wurde von Unsichtbaren Riesenhänden an Land gezogen.
Zitternd sah sie den Schnabel der weißen Vogelmaske direkt vor sich. Dann gab es eine blitzschnelle Bewegung. Ein stechender Schmerz zuckte durch ihre Kehle.
Und Ann Kingsley ertrank an ihrem eigenen Blut!
Der dämonische Pestarzt ließ ihren leblosen Körper zu Boden sinken.
Dann machte er eine ironische Verbeugung vor seinen beiden satanischen Begleitern.
»Darf ich zu einer Bootspartie bitten?«
Die drei Gestalten sprangen in das herrenlose Motorboottaxi, das in der Nähe der Anlegestelle im Wasser des Kanals dümpelte.
»Wohin geht es, Dottore?«, fragte der Arlecchino unterwürfig.
»Wohin schon, du Trottel«, tönte es hinter der Vogelmaske hervor. »Es ist Karneval, hast du das vergessen? Wir gehen zu einem Fest. Und wir werden uns amüsieren, wie wir es noch nie im Leben getan haben!«
»Als wir noch gelebt haben«, ergänzte Moretta.
Das krächzende Lachen der drei unheimlichen Gestalten hallte über die Lagune von Venedig.
Der Dottore startete den Bootsmotor, der zwischenzeitlich abgesoffen war.
Obwohl er schon vor langer Zeit gestorben war, hatte der Arzt ein intuitiv-magisches Verständnis von moderner Technik.
Das Boot fuhr Richtung Venedig.
***
»Wir kommen zu soät.«
JL Claudia Salvador sprach mit matter Stimme. Die Weißmagierin saß in einer traditionellen venezianischen Gondel, schwarz lackiert mit hohem, verzierten Bug.
Im Heck stand Emilio, ihr treuer Gondoliere.
»Hattet Ihr eine Vision?«, erkundigte er sich besorgt.
Claudia Salvador nickte nur. Sie fühlte sich hundsmiserabel. Ihr Körper war schon halb mumifiziert und starr. Jede Bewegung bereitete ihr Schmerzen. Die Zauberin hüllte sich enger in das dunkle Plaid, das sie sich um die Schultern gelegt hatte. Doch es half auch nichts gegen die innere Kälte.
»Vielleicht ist es noch nicht zu spät«, warf Emilio ein. »Wir können San Michele innerhalb von zwanzig Minuten erreichen, wenn ich mich anstrenge…«
Claudia drehte sich halb zu ihm um und schenkte ihm ein müdes Lächeln.
»Ich weiß, dass du es kannst, mein Guter. Aber es- ist zu spät, glaube mir. Ich habe gespürt, was dieser verdammte Dottore und seine Schergen mit den Menschen gemacht haben. Er ist jetzt wieder sehr stark geworden…«
Emilio nickte nur erschauernd, während er die Gondel durch den Canal Grande steuerte.
Seine Herrin stand in einer magischen symbiotischen Beziehung zu dem Dottore. Das bedeutete: immer, wenn er an Kraft gewann, verlor sie etwas von ihrer Lebensenergie.
Und die Zauberin hatte schon so unendlich viel Kraft opfern müssen, um das Übel von Venedig abzuwenden…
Die Weißmagierin strich sich ihr langes, verfilztes Haar aus dem Gesicht. Ihre Kräfte waren nicht mehr die besten. Vor fünfhundert Jahren
Weitere Kostenlose Bücher