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0699 - Schule des Satans

0699 - Schule des Satans

Titel: 0699 - Schule des Satans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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die Tage lang und die Nächte kurz sind, nicht an den Stand der Sonne halten, sonst werde ich zwischen den Mahlzeiten sicherlich verhungern.
    Ich teile mir ein Zimmer mit neun anderen Schülern, die auch die gleiche Klasse wie ich besuchen. Wir gehen vorsichtig miteinander um, da wir uns noch nicht gut kennen. Ich bin jedoch sicher, dass alle vom gleichen Stand sind, sodass ich nicht um meine Ehre fürchten muss, wenn ich mit ihnen rede. Schließlich bin ich der älteste Sohn eines großen Clanführers und werde eines Tages über das Schicksal vieler Menschen bestimmen. Daher muss ich darauf achten, wem ich meine Freundschaft schenke.
    Heute ist übrigens etwas sehr Merkwürdiges geschehen. Ein Junge namens Alfred ist neu an die Schule gekommen. Er ist erst gestern eingetroffen und macht einen freundlichen Eindruck. Ich weiß nichts über die Familienverhältnisse, aus denen er stammt. Er spricht nicht darüber, aber da sein Vater sich die teure Erziehung in dieser Schule leisten kann, gehört er wohl nicht zu den Tagelöhnern. Vielleicht werde ich mich auch mit ihm anfreunden.
    In seiner ersten Unterrichtsstunde konnte er jede Frage des Lateinlehrers beantworten und bekam kein einziges Mal den Stock zu spüren. Das hat uns alle gewundert, denn während wir den gestrigen Abend bei Kerzenschein gelernt hatten, stand Alfred am Fenster und schoss mit einer Steinschleuder auf schlafende Vögel.
    Trotzdem kannte er die Antworten auf alle Fragen.
    Ist das nicht seltsam?
    ***
    »Shakespeares Sonnet mit der Nummer 107 lässt sich leicht datieren, wenn man die Anspielungen im Mittelteil mit den politischen Realitäten dieser Zeit vergleicht«, sagte Elsa Radcliffe. Die Hand, in der sie die Gedichtsammlung hielt, zitterte. Es war still in dem Klassenraum, aber es war weder eine aufmerksame noch eine gelangweilte Stille. Sie war abwartend.
    Aber nicht nur die Schüler warteten hinter ihren aufgeklappten Laptops. Auch ihre Lehrerin, die wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis es erneut passierte.
    »Der sterbliche Mond«, fuhr sie fort, »der seine Finsternis erlitten hat, bezieht sich auf die spanische Armada, die meistens in einer halbmondförmigen Formation angriff und von den Engländern im Jahr 1588 vernichtend geschlagen wurde. Somit entstand dieses Sonnet entweder 1588 oder '89. Shakespeare…«
    »Miss Radcliffe«, unterbrach sie eine Stimme. »Darf ich dazu eine Frage stellen?«
    Die Englischlehrerin zuckte zusammen, ließ beinahe das Buch fallen. Sie hob den Blick und sah den dunkelhaarigen Jungen an, der in der letzten Reihe saß und die Arme vor der Brust verschränkt hatte. Sein Laptop lag demonstrativ an der Seite seines Tischs, als wolle er ihr zeigen, dass es nichts gab, was er in dieser Stunde lernen konnte.
    »Selbstverständlich, Alexander«, sagte Elsa nervös. »Was möchtest du wissen?«
    Die anderen Schüler drehten sich erwartungsvoll zu dem Teenager in der letzten Reihe um.
    »Ist es nicht richtig«, sagte der, »dass Königin Elizabeth, die Erste, die zu Shakespeares Zeit regierte, von Dichtern mit der Mondgöttin Diana verglichen wurde? Die Mondfinsternis würde damit für ihren Tod um Jahr 1603 stehen, ein Zeitpunkt, der auch wegen der stilistischen Besonderheiten des Sonnets wesentlich wahrscheinlicher erscheint. Stimmen Sie mir da zu, Miss Radcliffe oder habe ich Sie mit dieser Theorie überfordert?«
    Die anderen Schüler wandten sich wieder ihr zu, so als wären sie Zuschauer eines verbalen Tennisspiels.
    »Nun«, entgegnete die Englischlehrerin zögernd, »von diesem Vergleich ist mir nichts bekannt. Vielleicht wäre es…«
    »Er ist aber historisch sehr wohl dokumentiert, wie Sie wissen sollten.«
    Nicht Alexander hatte diese Worte gesprochen, sondern James, ein eigentlich schweigsamer Junge mit dicken Brillengläsern, der in einer der ersten Reihen saß. Er war ein durchschnittlicher Schüler mit einem gewissen Talent in den Naturwissenschaften, der bisher noch nie Interesse am Englischunterricht gezeigt hatte.
    Jetzt schob er jedoch seine Brille zurecht und sagte: »Ich kann Alexander nicht zustimmen. 1603 erscheint mir zu spät. Die Mondfinsternis von 1595 verbunden mit den Gerüchten über eine schwere Krankheit der Königin…«
    »Die Gerüchte waren falsch«, warf Mortimer, der einzige schottische Schüler in der Klasse, ein. »Das stimmt doch, Miss Radcliffe, oder?«
    »Ich«, begann sie, aber James ließ sie nicht ausreden.
    »Sie weiß das ebenso wenig, wie Shakespeare zu

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