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07 - Asche zu Asche

07 - Asche zu Asche

Titel: 07 - Asche zu Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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nicht zu Hause gewesen. Der Tatsache nach zu urteilen, daß die Post nicht hereingeholt worden war, hatte sie den größten Teil des Tages außer Haus verbracht. Und er hatte wie ein tolpatschiger Amateurdetektiv ihre Wohnung durchstreift und nach Hinweisen gesucht, die ihr Verschwinden erklären würden.
    Das Geschirr, das in der Küche im Spülbecken stand, stammte vom Frühstück - warum es Helen nicht schaffte, ein Müslischälchen, eine Kaffeetasse, eine Untertasse und zwei Löffel in die Spülmaschine zu verfrachten, würde ihm ewig ein Rätsel bleiben -, und sowohl die Times, als auch der Guardian sahen aus, als wären sie aufgeschlagen und gelesen worden. Gut. Sie hatte es also nicht eilig gehabt, und es hatten auch nicht unbekannte Umstände sie in solche Erregung versetzt, daß sie nicht hatte essen können. Tatsächlich hatte er noch nie erlebt, daß Helen aus irgendeinem Grund der Appetit vergangen war, aber es war dies wenigstens ein Punkt, an dem man ansetzen konnte: keine überstürzte Eile, keine größere Katastrophe.
    Er ging in ihr Schlafzimmer. Das Bett war gemacht - Bestätigung seiner Theorie, daß sie sich Zeit gelassen hatte. Auf ihrem Toilettentisch waren alle Gegenstände so penibel angeordnet wie am Abend zuvor. Ihr Schmuckkasten war geschlossen. Ein Parfümflakon mit silberner Verzierung tanzte ein wenig aus der Reihe, und Lynley zog den Stöpsel heraus.
    Er fragte sich, ob es ein schlechtes Zeichen war, daß sie sich parfümiert hatte, bevor sie gegangen war. Trug sie immer Parfüm? Hatte sie gestern abend welches getragen? Er konnte sich nicht entsinnen und überlegte mit vagem Unbehagen, ob seine Unfähigkeit, sich zu erinnern, ein ebenso schlechtes Zeichen war wie Helens plötzliches Bedürfnis, sich zu parfümieren. Warum parfümieren sich Frauen denn schließlich? Um anzulocken, einzuladen, zu betören.
    Er kam auf den Gedanken, ihre Sachen im Schrank durchzusehen. Lange Kleider, kurze Kleider, Kostüme, Röcke, Hosen. Wenn sie sich mit jemandem getroffen hatte, so würde die Auswahl ihrer Kleidung doch sicher das Geschlecht, wenn auch nicht die Identität der betreffenden Person verraten. Er dachte an die Männer, die einmal ihre Liebhaber gewesen waren. Was hatte sie angehabt, wenn er sie mit ihnen gesehen hatte? Die Frage blieb ohne Antwort. Hoffnungslos. Er konnte sich nicht erinnern. Er merkte, wie ihn die weiche, kühle Berührung des Satinnachthemds, das innen an der Schranktür hing, in andere Welten versetzte.
    Irrsinn, dachte er. Nein, Schwachsinn. Verärgert stieß er die Schranktür zu. Was war los mit ihm? Wenn er sich nicht in den Griff bekam, würde er demnächst noch ihren Schmuck küssen oder die Sohlen ihrer Schuhe streicheln.
    Das ist es, dachte er. Schmuck. Der Nachttisch. Der Ring. Das Kästchen stand nicht mehr da. Es war auch nicht in der Schublade. Und auch nicht bei ihren anderen Schmuckstücken. Das konnte nur bedeuten, daß sie den Ring trug, und das wiederum bedeutete, daß sie einverstanden war, und das wiederum bedeutete, daß sie bestimmt zu ihren Eltern gefahren war, um ihnen die Neuigkeit zu überbringen.
    Sie würde über Nacht bleiben müssen. Also mußte sie einen Koffer mitgenommen haben. Natürlich, das war's. Wieso nur war er nicht gleich darauf gekommen? Hastig sah er den Schrank im Korridor durch, um seine Schlußfolgerung zu überprüfen. Noch eine Sackgasse. Ihre beiden Koffer waren da.
    Wieder in der Küche, sah er, was er schon vorher gesehen und bewußt ignoriert hatte. Ihr Anrufbeantworter blinkte wie verrückt. Es sah aus, als hätte sie im Lauf des Tages mindestens ein Dutzend Anrufe bekommen. Nein, sagte er sich, so tief würde er nicht sinken. Wenn er sich jetzt auch noch dazu herabließ, ihren Anrufbeantworter abzuhören, würde er sich als nächstes dabei ertappen, wie er heimlich über Dampf ihre Briefe öffnete. Es war schlicht und einfach so, daß sie ausgegangen war, daß sie den ganzen Tag aus gewesen war, und wenn sie die Absicht hatte, irgendwann in der näheren Zukunft zurückzukehren, so würde sie das auch tun, ohne daß er wie ein liebeskranker Romeo im Gebüsch lauerte.
    Er ging also und fuhr nach Hause, nach Eaton Terrace. Er sei sowieso hundemüde, sagte er sich, habe einen Bärenhunger und könne jetzt einen Whisky vertragen.
    »Guten Abend, Milord. War ein langer Tag für Sie, nicht wahr?« Denton begrüßte ihn mit einem Stapel gefalteter weißer Handtücher unter dem Arm. Er trug zwar noch, wie üblich, sein

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