07 - Asche zu Asche
vielleicht mehr ausgetauscht als nur Liebesgeflüster? Weiß sie, wer du bist? Habt ihr beide Pläne gemacht?
Wenn ich das alles sage und es schnell genug sage, dann brauche ich mir die beiden nicht miteinander vorzustellen. Ich brauche mich nicht zu fragen, wo sie es tun und wie. Ich brauche nicht darüber nachzudenken, wenn ich mich nur zwinge, die Fragen zu stellen, und ihn in die Defensive dränge.
Aber das kann ich nicht. Früher einmal hätte ich es getan, aber diese Person in mir, die plötzlich zähnefletschend und nur darauf aus, andere zu verletzen, aus dem Nichts hervorspringen konnte, die habe ich offenbar verloren.
Er beobachtet mich. Er weiß, daß ich es weiß. Ein Wort von mir, und wir können die Diskussion führen, die er Amanda zweifellos versprochen hat. Ich werde es ihr sagen, flüstert er wahrscheinlich, wenn sie fertig sind und ihre Körper feucht und glitschig von dieser Mischung aus Liebe und Schweiß. Ich sag's ihr. Glaub mir. Er küßt ihren Hals, ihre Wange, ihren Mund. Sie schlingt ihr Bein um das seine. Er flüstert »Amanda« oder »Mandy«. Sie liegen still beieinander.
Nein. So werde ich nicht an sie denken. Ich werde überhaupt nicht an sie denken. Chris hat ein Recht auf sein Leben, geradeso, wie ich ein Recht auf meines habe. Und ich habe selbst genug Regeln der Organisation gebrochen, als ich noch aktives Mitglied war.
Nachdem ich Chris damals von meiner körperlichen Fitneß überzeugt hatte - mit Laufen, Springen, Klettern, Robben und was er sonst noch von mir verlangte -, begann ich, die offenen Versammlungen der Aufklärungsabteilung von ARM zu besuchen. Sie fanden in Kirchen, Schulen und Gemeindezentren statt, wo Tierversuchsgegner aus einem halben Dutzend Organisationen die Bürger mit Informationen versorgten. Auf diese Weise erfuhr ich eine Menge über die Forschung an Tieren; was die Firma Boots in Thurgarton tat; wie es bei der Massentierhaltung zugeht; wie viele Mischlingshunde in Laundry Farm angeblich gestohlene Haustiere waren; über das neurotische Verhalten eingesperrter Nerze in Halifax; die Anzahl von Betrieben, die Tiere nur zur Versorgung von Laboratorien züchten. Ich lernte die moralischen und ethischen Argumente beider Seiten kennen. Ich las, was mir in die Hand gedrückt wurde. Ich hörte mir an, was geredet wurde.
Ich wollte gleich von Anfang an zu einer Sturmeinheit. Ich würde gern behaupten, ein Blick auf Beans an dem Morgen, als er auf das Hausboot kam, hätte ausgereicht, mich für die Sache zu gewinnen. Aber die Wahrheit ist, daß ich nicht zu der Sturmeinheit wollte, weil ich so leidenschaftlich davon überzeugt war, diesen Tieren helfen zu müssen; ich wollte nur Chris' wegen zu der Truppe. Weil ich etwas von ihm wollte. Weil ich ihm etwas von mir zeigen wollte. Aber das habe ich mir natürlich nicht eingestanden. Ich redete mir ein, ich wollte in die Sturmeinheit, weil all diese Aktivitäten rund um die Befreiung der Tiere Spannung versprachen; von der Angst, erwischt zu werden, bis zu dem - das war das wichtigste - unglaublichen Hochgefühl nach dem Erfolg. Ich ging zu der Zeit schon einige Monate nicht mehr auf den Strich. Ich war rastlos und unbefriedigt, ich brauchte dringend eine anständige Dosis Erregung, wie sie der Sprung ins Unbekannte bietet, Gefahr und knappes Entkommen. So ein Überfall schien mir genau das Richtige zu sein.
Die Sturmeinheiten bestanden aus Spezialisten und Soldaten. Die Spezialisten bereiteten das Unternehmen vor - infiltrierten Wochen im voraus das Zielobjekt, stahlen Dokumente, fotografierten, zeichneten genaue Pläne, machten Alarmanlagen ausfindig und setzten sie beim Einsatz für die Soldaten außer Betrieb. Die Soldaten führten den eigentlichen Überfall aus, bei Nacht und angeführt von einem Kommandeur, dessen Wort Gesetz war.
Chris machte nie einen Fehler. Er sprach mit seinen Spezialisten, er sprach mit der Leitung von ARM, er sprach mit seinen Soldaten. Niemals bekam eine Gruppe die andere zu sehen. Er war der Verbindungsmann zwischen uns allen.
Als ich das erstemal an einem Überfall teilnahm, war seit meiner ersten Begegnung mit Chris fast ein Jahr vergangen. Ich wollte schon viel früher einsteigen, aber er erlaubte mir nicht, den Prozeß abzukürzen, den alle anderen durchmachen mußten. Ich arbeitete mich also langsam in der Organisation hoch und hatte dabei immer nur das eine Ziel im Auge, Chris' vermeintliche Abwehr gegen mich einzureißen. Sie sehen also, wie unwürdig ich in Wahrheit
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