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07 - Asche zu Asche

07 - Asche zu Asche

Titel: 07 - Asche zu Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Es gab zu viele finanzielle Belastungen. Die Kosten eines Umzugs, die Kosten für die Beschaffung einer passenden Wohnung, die Kosten für den Wagen ... Es war einfach nicht genug Geld da.
    Ich kann mir das Gespräch zwischen ihnen vorstellen, zwischen Kenneth und Mutter. Sie sitzt oben im dritten Stockwerk, in dem Büro, das sie von meinem Vater übernommen und nach ihrem Geschmack umgestaltet hat. Sie liest einen Vertrag durch. Auf ihrem Schreibtisch steht eine weiße Porzellankanne mit blauem Rand, aus der das Aroma von Earl-Grey-Tee aufsteigt. Es ist relativ spät am Abend - so gegen acht Uhr -, und es ist still im Haus.
    Kenneth kommt ins Büro und legt Mutter noch einen Vertrag zur Begutachtung hin. Sie nimmt ihre Brille ab und reibt sich die Schläfen. Sie hat die Deckenbeleuchtung ausgeschaltet, weil sie von dem hellen Licht Kopfschmerzen bekommt. Ihre Schreibtischlampe wirft Schatten auf die Wände.
    Sie sagt: »Ich habe nachgedacht, Ken.«
    »Ich habe den Kostenvoranschlag für das Landwirtschaftsministerium fertig. Ich denke, wir werden den Auftrag bekommen«, meinte er und gibt ihr die Unterlagen.
    Sie legt sie auf die Ecke ihres Schreibtischs. Sie schenkt sich noch eine Tasse ein und holt eine zweite Tasse für ihn. Sie kehrt absichtlich nicht zu ihrem Schreibtisch zurück; sie setzt sich niemals hinter ihren Schreibtisch, wenn er bei ihr im Büro ist, weil sie weiß, daß sich darin die große Kluft manifestieren würde, die zwischen ihnen besteht.
    »Ich habe über Sie nachgedacht, Ken«, fügt sie hinzu. »Und über Kent.«
    Er hebt die Hände und läßt sie gleich wieder resigniert sinken. Als hielte er jede Diskussion über dieses Thema für sinnlos.
    »Sie haben ihnen doch noch keine Antwort gegeben, nicht wahr?« sagt Mutter.
    »Ich schiebe es vor mir her«, antwortet er. »Ich möchte an dem Traum festhalten, solange ich kann.«
    »Wann wollen sie Ihre Entscheidung?«
    »Ich habe gesagt, ich würde mich Ende der Woche melden.«
    Sie gießt ihm Tee ein, und sie weiß, wie er ihn trinkt - mit Zucker, aber ohne Milch. Sie reicht ihm die Tasse. Auf einer Seite des Büros, dort, wo die Schatten am tiefsten sind, steht ein Tisch, und zu ihm führt sie Ken und fordert ihn auf, sich zu setzen. Er erwidert, er müsse gehen, Jean werde sich schon wundern, wo er bleibe, sie seien zu einem Familienessen im Haus ihrer Eltern eingeladen, er habe sich sowieso schon verspätet, sie sei wahrscheinlich mit den Kindern schon ohne ihn losgegangen ... Aber er macht keine Anstalten zu gehen.
    »Sie ist eine sehr eigenständige Person, Ihre Frau«, sagt Mutter.
    »Ja, das ist sie«, bestätigt er. Er rührt seinen Tee um, trinkt aber nicht gleich davon, sondern stellt die Tasse auf den Tisch und setzt sich. Er ist mager - magerer noch als früher, als Junge - und nimmt dennoch auf eine Weise Raum ein, wie andere Männer das nicht tun. Er strömt etwas aus, eine Art vibrierender Energie, eine Art Lebenskraft.
    Mutter nimmt das wahr. Sie hat ein feines Gespür für ihn.
    »Gibt es denn überhaupt eine Möglichkeit für Jean, in Kent eine Arbeit zu finden?« fragt sie.
    »Oh, sie würde sicher etwas finden«, antwortete er. »Aber sie müßte in einem Laden arbeiten. Sie würde nicht genug verdienen, um die zusätzlichen Ausgaben zu decken.«
    »Sie hat keine - richtige Ausbildung, Ken?« Mutter kennt natürlich die Antwort auf diese Frage. Aber sie möchte, daß er selbst sie ausspricht.
    »Berufsausbildung, meinen Sie?« Er dreht seine Tasse auf der Untertasse. »Sie kann nur das, was sie in dem Café in Billingsgate gelernt hat.«
    Und das ist wenig genug. Nämlich: bedienen, Rechnungen schreiben, bonieren, Geld herausgeben.
    »Ja. Hm. Das macht es heikel.«
    »Das macht es unmöglich.«
    »Sagen wir - schwierig.«
    »Schwierig. Heikel. Unmöglich. Das kommt doch alles aufs gleiche heraus. Sie brauchen mich nicht daran zu erinnern. Wie man sich bettet, so liegt man.«
    Wahrscheinlich nicht die Metapher, die Mutter gewählt hätte. Und darum sagt sie rasch, ehe er weitersprechen kann: »Vielleicht gibt es doch noch eine andere Möglichkeit, die das Leben Ihrer Familie nicht so in Aufruhr bringen würde.«
    »Ich könnte die Leute von Kent bitten, mir eine Chance zu geben. Ich könnte pendeln und beweisen, daß es kein Problem ist. Aber das Geld ...« Er schiebt die Teetasse weg. »Nein. Ich bin ein erwachsener Mensch, Miriam. Jean hat ihre Kinderträume begraben, und es wird Zeit, daß ich das gleiche mit meinen

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