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07 - Asche zu Asche

07 - Asche zu Asche

Titel: 07 - Asche zu Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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kleinen Parkbucht in Dunkelheit und Wind. Seine Schultern zuckten. Ich trat einen Schritt auf ihn zu. Ich wußte in dem Moment, daß es keine Verzeihung geben konnte, wenn ich jetzt nicht hinschaute. Wenn ich sie jetzt nicht ansah, diese teilweise rasierten, zerbrochenen Körper, die gelähmten Glieder, die Schwellungen und die Nähte, die Klumpen geronnenen Bluts.
    Mir wurde erst heiß, dann kalt. Ich dachte an meine Worte. Ich dachte an all die Dinge, die ich nicht wußte. Ich wandte mich ab. Ich sagte: »Komm, Chris. Gib es mir.« Ich öffnete seine Finger, nahm das Kätzchen und hielt es in meinen beiden Händen. Dann legte ich es wieder in den Karton, schloß die Deckel der anderen. Ich schlug die Tür des Lieferwagens zu und nahm Chris beim Arm. »Komm«, sagte ich und führte ihn auf die Beifahrerseite.
    Als wir beide im Auto saßen, sagte ich: »Wo wartet Max auf uns?« Denn jetzt wußte ich, was er die ganze Zeit über, während der Planungen für den Überfall und während seiner Durchführung, für sich behalten hatte. »Chris«, wiederholte ich. »Wo sind wir mit Max verabredet?«
    Wir schläferten sie alle ein, diese Kätzchen und Katzen, ein Tier nach dem anderen. Max gab ihnen die Spritzen. Chris und ich hielten sie. Wir hielten sie an die Brust gedrückt, so daß das letzte, was jedes kleine Tier fühlte, der stetige Schlag eines menschlichen Herzens war.
    Als wir fertig waren, nahm Max mich bei der Schulter. »Nicht die Einführung, die du erwartet hast, wie?«
    Ich schüttelte wie betäubt den Kopf und legte das letzte kleine Tier in den Kasten, den Max zu diesem Zweck mitgebracht hatte.
    »Gut gemacht, Mädchen«, lobte Max.
    Chris drehte sich um und ging in den frühen Morgen hinaus. Es war kurz vor Tagesanbruch, der Moment, da der Himmel sich noch nicht zwischen Licht und Dunkel entschieden hat und beides nebeneinander existiert. Im Westen war der Himmel verhangen, taubengrau. Im Osten war er mit goldgeränderten Wolken gefiedert.
    Chris stand neben dem Lieferwagen, die Hand, die auf dem Dach lag, zur Faust geballt. Er blickte in die Morgendämmerung.
    »Warum tun Menschen so etwas?« fragte ich.
    Er schüttelte nur den Kopf und stieg in den Wagen. Auf der Rückfahrt nach Little Venice hielt ich seine Hand. Ich wollte ihn trösten. Ich wollte alles wiedergutmachen.
    Als wir aufs Hausboot kamen, rannten Toast und Beans uns entgegen und sprangen dann winselnd an uns hoch.
    »Sie wollen raus«, sagte ich. »Soll ich mit ihnen gehen?«
    Chris nickte. Er warf seinen Rucksack in einen Sessel und ging in sein Zimmer. Ich hörte die Tür zufallen.
    Ich rannte mit den Hunden den Kanal entlang. Sie jagten einen Ball, balgten sich knurrend miteinander, kamen zurückgesaust, um mir den Ball vor die Füße zu legen, und rannten gleich wieder mit freudigem Kläffen los, um ihn von neuem zu holen. Als sie genug hatten und der Morgen sich mit Schulkindern und Menschen auf dem Weg zur Arbeit belebte, kehrten wir zum Boot zurück. Es war dunkel drinnen, darum öffnete ich die Läden im Arbeitsraum. Ich fütterte die Hunde und gab ihnen Wasser. Dann schlich ich auf Zehenspitzen durch den Gang und blieb vor Chris' Tür stehen. Ich klopfte leise. Er antwortete nicht. Ich drehte den Knauf und ging hinein.
    Er lag auf dem Bett und trug immer noch seine schwarzen Jeans, den schwarzen Pulli, schwarze Socken. Er schlief nicht. Er blickte vielmehr unverwandt auf eine Fotografie, die vor den Büchern auf seinem Regal stand. Ich kannte sie. Chris und sein Bruder im Alter von fünf und acht Jahren. Sie knieten im Dreck und hielten mit strahlenden Gesichtern den Hals eines jungen Eselchens umschlungen. Chris war als Sir Galahad kostümiert. Sein Bruder als Robin Hood.
    Vor dem Bett ging ich ein wenig in die Knie und legte die Hand auf sein Bein.
    »Merkwürdig«, sagte er.
    »Was?«
    »Das. Ich sollte eigentlich auch Anwalt werden. Wie Jeffrey. Habe ich dir das erzählt?«
    »Nur, daß er Anwalt ist. Das andere nicht.«
    »Jeff hat Magengeschwüre. Die wollte ich nicht. Ich will etwas verändern, habe ich damals zu ihm gesagt, und das ist nicht der richtige Weg. Die Veränderung geschieht durch Arbeit innerhalb des Systems, widersprach er. Ich dachte, er irre sich. Aber geirrt habe ich mich.«
    »Nein.«
    »Ich weiß nicht. Ich glaube doch.«
    Ich setzte mich auf den Bettrand. »Du hast dich nicht geirrt«, sagte ich. »Schau doch, wie du mich verändert hast.«
    »Menschen verändern sich von selbst.«
    »Nicht immer.«
    Ich

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