07 - Asche zu Asche
mehr.«
»Ihr Wagen steht in einer Garage hinter dem Haus - in so einer kleinen Straße, Phillips Walk. Da gibt's auch lauter umgebaute kleine Häuser. Ehemalige Stallungen und Remisen.«
»Ja?«
»So dicht nebeneinander wie die Nutten am King's Cross. Und überall Fenster. Am Mittwoch abend waren die alle offen, weil das Wetter so schön war.«
»Und niemand hat Mrs. Whitelaw wegfahren sehen? Niemand hörte ihr Auto?«
»Nein. Mittwoch nacht war das Baby im Haus gegenüber der Garage bis vier Uhr morgens wach und mußte dauernd von seiner Mutter herumgetragen werden. Die Mutter hätte das Auto gehört. Sie ist fast die ganze Nacht vor den Fenstern auf und ab gelaufen, um das Kleine zu beruhigen. Sie hat nichts gesehen oder gehört. Wenn also die gute Mrs. Whitelaw nicht durch den Kamin entschwebt ist, ist sie sauber, Inspector. Tut mir leid.«
»Macht nichts«, erwiderte Lynley. »Das überrascht mich gar nicht. Sie hat ohnehin schon ein Alibi bekommen.«
»Hatten Sie sie als Täterin im Auge?«
»Nicht unbedingt. Aber ich habe es gern, wenn alles geklärt ist und keine Fragen offenbleiben.« Er beendete das Gespräch mit der Weisung an Nkata, ein Vernehmungszimmer bereitstellen zu lassen und die Pressestelle davon zu unterrichten, daß ein sechzehnjähriger Junge aus dem East End der Polizei bei ihren Ermittlungen helfe. Dann legte er das Telefon weg, und bis New Scotland Yard sprach keiner mehr.
Jeder Journalist auf der Isle of Dogs hatte offensichtlich einen Kollegen, der sich zufällig in der Victoria Street aufhielt, telefonisch informiert. Als Lynley am Broadway in der Einfahrt zu New Scotland Yard anhielt, war der Bentley augenblicklich umringt. Nicht nur Zeitungsreporter und -fotografen bedrängten sie, sondern auch aggressive Kameraleute des Fernsehens, die alle anderen rücksichtslos zur Seite drückten.
»Heiliger Strohsack«, murmelte Barbara.
Lynley riet: »Ducken Sie sich, Jim«, und fuhr den Wagen langsam zum Tor der Tiefgarage, während die Fotografen Hunderte von Bildern schossen und die Kameraleute ihre Filme drehten, die am Abend zweifellos über sämtliche Fernsehsender des Landes ausgestrahlt werden würden.
Jimmy Cooper reagierte auf den ganzen Tumult lediglich mit einem Abwenden seines Gesichts von Fotoapparaten und Kameras und äußerte weder Interesse noch Entsetzen. Lynley und Barbara stiegen mit ihm in den Aufzug und führten ihn durch endlose Korridore, wo eine Weile eine Pressebeamtin neben ihnen herrannte, die, ganz überflüssig nach dem Spießrutenlauf, den sie gerade hinter sich gebracht hatten, sagte: »Wir haben die Erklärung bereits herausgegeben, Inspector. Ein junger Mann. Sechzehn Jahre alt. East End.« Dabei warf sie einen raschen Blick auf Jimmy. »Kann man dem im Moment noch etwas hinzufügen, ohne zu weit zu gehen? Die Schule des Jungen vielleicht? Anzahl der Geschwister? Andeutungen über die Familie? Etwas über Kent?«
Lynley schüttelte nur den Kopf. »Gut. Bei uns klingeln die Telefone wie bei der Feuerwehr. Ich höre von Ihnen, wenn's mehr gibt, ja?« bat die Beamtin.
Sie blieb zurück, ohne eine Antwort erhalten zu haben.
Constable Nkata erwartete sie im Vernehmungszimmer, wo der Rekorder bereitstand und die Stühle aufgestellt waren, zwei an jeder Seite eines Tisches und zwei an den gegenüberliegenden Wänden. Er fragte Lynley: »Wollen Sie seine Abdrücke?«
»Noch nicht«, antwortete dieser und zeigte dem Jungen, auf welchem Stuhl er Platz nehmen solle. »Wollen wir uns einen Moment miteinander unterhalten, Jimmy? Oder möchten Sie lieber warten, bis Ihre Mutter einen Anwalt schickt?«
Jimmy ließ sich mit krummem Rücken auf den Stuhl fallen und zupfte wieder am Saum seines T-Shirts. »Mir egal.«
Lynley bat Nkata: »Geben Sie uns Bescheid, wenn er hier ist. Bis dahin unterhalten wir uns einfach.«
Nkatas Gesichtsausdruck zeigte Lynley, daß er verstanden hatte. Sie würden versuchen, soviel wie möglich aus dem Jungen herauszubekommen, ehe der Anwalt kam und ihm den Maulkorb anlegte.
Lynley schaltete den Rekorder ein, gab Datum und Zeit an, nannte die im Vernehmungszimmer anwesenden Personen: sich selbst, Sergeant Barbara Havers und James Cooper, Sohn von Kenneth Fleming. Er sagte noch einmal: »Möchten Sie einen Anwalt dabei haben, Jimmy? Sollen wir warten?« Als der Junge nur die Schultern zuckte, fügte er hinzu: »Sie müssen antworten.«
»Ich brauch keinen beschissenen Anwalt, okay? Ich will keinen.«
Lynley setzte sich dem Jungen
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