Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
07 - Asche zu Asche

07 - Asche zu Asche

Titel: 07 - Asche zu Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
Sie wagte eine Berührung seines Haars.
    »Komm, Jim, sprich mit mir«, bat sie wieder. »Erzähl es mir.«
    Und sie fügte hinzu, was sie hinzufügen mußte, woran sie aber keinen Moment glaubte und wovon sie keine Ahnung hatte, wie. sie es bewerkstelligen sollte. »Ich lasse nicht zu, daß dir etwas geschieht, Jim. Irgendwie stehen wir das gemeinsam durch. Aber ich muß wissen, was du ihnen gesagt hast.«
    Sie wartete darauf, daß er die logische Frage stellen würde: Warum? Aber er tat es nicht. Von der Tomatensuppe auf dem Herd stiegen appetitliche Dämpfe auf, und sie rührte um, ohne hinzusehen, den Blick fest auf ihren Sohn gerichtet. Angst, Wissen, Ungläubigkeit und Verdrängung brodelten in ihr, aber sie bemühte sich, nichts davon sehen oder spüren zu lassen.
    »Als ich vierzehn war, hab ich mit deinem Vater angefangen«, sagte sie. »Ich wollte wie meine Schwestern sein. Die machten dauernd mit irgendwelchem Jungs rum. Was die können, kann ich schon lange, hab ich mir gedacht.«
    Jimmy hielt den Blick immer noch auf die Wand gerichtet. Jean rührte die Suppe um und fuhr zu sprechen fort. »Wir hatten unseren Spaß miteinander, o ja. Nur kam mein Vater dahinter, weil deine Tante Lynn mich bei ihm verpetzte. Da hat mein Vater eines Abends, als ich heimkam, seinen Gürtel abgenommen, ich mußte mich splitternackt ausziehen, und dann hat er mich vor der ganzen Familie versohlt. Ich habe nicht geweint. Aber ich habe ihn gehaßt. Ich habe mir gewünscht, er würde tot umfallen. Ich wäre froh gewesen, wenn er auf der Stelle tot umgefallen wäre. Vielleicht hätte ich sogar selbst nachgeholfen.«
    Sie holte eine Suppenschale aus dem Schrank und warf ihrem Sohn einen zaghaften Blick zu, als sie die Suppe aus dem Topf in die Schale löffelte. »Hm, riecht gut. Möchtest du eine Scheibe Toast dazu, Jim?«
    Sein Gesicht zeigte einen Ausdruck, der sich zwischen Mißtrauen und Verwirrung bewegte. Sie konnte sie nicht so beschreiben, wie sie es gern wollte, diese Mischung aus Wut und Erniedrigung, die in ihr einen blinden Moment lang den tiefen Wunsch geweckt hatte, ihr Vater möge tausend Tode sterben. Jimmy verstand nicht. Vielleicht war seine Wut von anderer Art; während die ihre ein kurzer Feuerstrom gewesen war, war seine vielleicht ein Schwelbrand, der immer weiter glomm.
    Sie trug die Suppe zum Tisch, schenkte ihm Milch ein, machte ihm Toast. Sie deckte auf und bat ihn, sich zu setzen. Er blieb am Herd stehen.
    Sie machte die einzige Bemerkung, die ihr jetzt noch einfiel. Ihr fehlte der Glaube daran, aber sie mußte ihn bewegen, daran zu glauben, wenn sie je die Wahrheit erfahren wollte. »Wichtig ist das, was von uns geblieben ist«, sagte sie. »Du und ich, Stan und Shar. Glaub mir, Jim.«
    Er blickte von ihr zum Tisch. Sie wies mit einladender Geste zur Suppenschale und setzte sich selbst an den Tisch, so daß sie ihn gegenüber haben würde, wenn er sich setzte. Er wischte sich die Hände an seiner Blue Jeans ab, und seine Finger verkrampften sich.
    »Der Dreckskerl«, sagte er im Konversationston. »Letzten Oktober hat er mit ihr angefangen, und von da an war ihm alles andere egal. Er hat immer gesagt, sie wären nur befreundet, weil sie mit diesem reichen Typen verheiratet war, aber ich hab genau gewußt, wie's wirklich war. Shar hat ihn dauernd gefragt, wann er wieder nach Hause kommt, und er hat jedesmal gesagt, bald, in ein oder zwei Monaten, wenn ich weiß, wie ich wirklich mit mir dran bin, wenn ich weiß, worum's eigentlich geht. Mach dir nur kein Kopfzerbrechen, Schatz, hat er gesagt. Aber in Wirklichkeit hat er die ganze Zeit nur dran gedacht, wann er das nächstemal mit der anderen bumsen kann. Wenn er gemeint hat, wir könnten's nicht sehen, hat er ihr die Hand auf den Hintern gelegt. Und wenn er sie umarmt hat, dann hat sie sich an ihm gerieben. Man hätte schon bald blind sein müssen, um nicht zu merken, was die in Wirklichkeit wollten - nämlich daß wir endlich gehen, damit sie's miteinander treiben können.«
    Jean hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten. Das war nicht das, was sie erwartet hatte. Aber sie zwang sich, zuzuhören. Sie verzog keine Miene und redete sich ein, es berühre sie nicht. Sie wußte es ja bereits, und dieser Teil der Wahrheit konnte ihr nichts mehr anhaben.
    »Er war nicht mehr unser Dad«, sagte Jimmy. »Er hat nur noch an sie gedacht. Sie mußte nur anrufen, und schon ist er zu ihr gerannt. Sie brauchte nur zu sagen, laß mich in Ruhe, Ken, und schon war er

Weitere Kostenlose Bücher