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07 - Asche zu Asche

07 - Asche zu Asche

Titel: 07 - Asche zu Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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er.
    »Fast eine Woche«, antwortete ich.
    Er sprach von der Harley Street, von einem Spezialisten dort, von der Notwendigkeit einer eindeutigen Diagnose.
    »Was ist es?« fragte ich. »Du weißt es doch, aber du willst es mir nicht sagen. Mein Gott, ist es Krebs? Glaubst du, ich habe einen Tumor?«
    »Ein Tierarzt kennt sich mit den Krankheiten der Menschen nicht so gut aus, Mädel.«
    »Krankheit?« bohrte ich. »Welche Krankheit? Was ist es?«
    Er sagte, er wisse es nicht. Für ihn sehe es so aus, als seien bei mir die Neuronen in Mitleidenschaft gezogen.
    Ich erinnerte mich an Chris' Amateurdiagnose. »Ein eingeklemmter Nerv?«
    Chris murmelte: »Es handelt sich um das Zentralnervensystem, Livie.«
    Die Wände um mich herum schienen zu beben. »Was?« fragte ich. »Das Zentralnervensystem? Wie meinst du das?«
    Max erklärte: »Neuronen sind Zellen. Sie bestehen aus Zellkörper, Axon und Dendriten. Sie leiten Impulse zum Gehirn. Wenn sie -«
    »Ein Gehirntumor?« Ich packte seinen Arm. »Max, glaubst du, ich habe einen Gehirntumor?«
    Er drückte meine Hand. »Was du hast, ist ein Anfall von Panik«, erwiderte er. »Du mußt ein paar Untersuchungen machen lassen und dich erst mal beruhigen. Also, Christopher, wie war's mit der Schachpartie, die wir vorhin nicht zu Ende gespielt haben?«
    Max gab sich unbekümmert, aber als er an diesem Abend ging, hörte ich ihn auf dem Treidelpfad mit Chris reden. Ich konnte nichts verstehen, nur einmal meinen Namen. Als Chris wieder hereinkam, um die Hunde zu ihrem Abendspaziergang abzuholen, sagte ich: »Er weiß, was los ist, nicht wahr? Er weiß, daß es was Ernstes ist. Warum sagt er es mir nicht? Ich habe gehört, wie er über mich geredet hat. Mit dir. Sag mir, was er erzählt hat, Chris. Wenn du es nicht tust -«
    Chris kam zu meinem Sessel und drückte für einen Moment meinen Kopf an seinen Bauch. Seine Hand lag warm auf meinem Ohr. Er schüttelte mich ein wenig. »Unke«, sagte er. »Du bist zu empfindlich. Er hat gesagt, er könnte mit ein paar Leuten telefonieren, damit du bei diesem Spezialisten in der Harley Street gleich einen Termin kriegst. Ich habe gemeint, er solle das tun. Ich denke, das ist das beste. Okay?«
    Ich löste mich von ihm. »Sieh mich an, Chris.«
    »Was denn?« Sein Gesicht war ruhig.
    »Er hat dir noch was anderes gesagt.«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Weil er mich Olivia genannt hat.«
    Chris schüttelte ungeduldig den Kopf. Er neigte sich zu mir herab und streifte mit seinen Lippen meinen Mund. Er hatte mich nie zuvor geküßt. Und er hat es seither nie wieder getan. Der Druck seines Mundes, flüchtig wie ein Hauch, sagte mir mehr, als ich wissen wollte.
    Die erste Runde Arztbesuche und Untersuchungen begann. Mit den simplen Dingen wie Blut- und Urintests fingen sie an. Dann kamen allgemeine Röntgenuntersuchungen. Danach wurde mir das Sciencefiction-Erlebnis einer Kernspintomographie zuteil, bei dem ich in eine Röhre wanderte, die wie eine futuristische eiserne Lunge aussah. Nachdem der Arzt sich das Ergebnis angesehen hatte - während ich ihm in seinem Sprechzimmer gegenübersaß, das wie eine Filmkulisse aussah, und Chris draußen wartete, weil ich ihn nicht dabeihaben wollte, wenn mir das Schlimmste eröffnet wurde -, sagte er nur: »Wir müssen eine Rückenmarkspunktion machen. Für wann soll ich den Termin vereinbaren?«
    »Warum? Wieso wissen Sie immer noch nichts Genaues? Warum können Sie es mir nicht sagen? Ich will nicht noch mehr Untersuchungen. Und die am allerwenigsten. Die ist doch furchtbar schmerzhaft, oder? Ich weiß, wie es ist. Ich will das nicht. Schluß jetzt.«
    Er legte seine Hände auf die unaufhörlich wachsende Akte meiner Untersuchungsberichte und klopfte mit den Fingerspitzen aneinander. »Es tut mir leid«, erwiderte er. »Doch es läßt sich nicht umgehen.«
    »Aber was glauben Sie denn?«
    »Daß Sie sich dieser Untersuchung unterziehen müssen. Danach werden wir sehen, welches Gesamtbild sich ergibt.«
    Leute mit Geld lassen diese Geschichten wahrscheinlich in irgendeiner schicken Privatklinik machen, wo es Blumen in den Korridoren gibt und dicke Teppiche auf den Fußböden und Musikberieselung. Mir spendierte sie der staatliche Gesundheitsdienst. Ein Medizinstudent führte den Eingriff durch, was mein Vertrauen nicht gerade erhöhte, vielleicht weil sein Lehrer dauernd neben ihm stand und im Medizinerjargon Anweisungen erteilte, zu denen scharfe Fragen gehörten, wie zum Beispiel: »Verzeihen Sie, aber

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