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07 - Asche zu Asche

07 - Asche zu Asche

Titel: 07 - Asche zu Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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betäubt von dieser Eröffnung, suchte sie sich ihren Weg zum Fernsehapparat, wo ihre Zigaretten lagen. Sie nahm sich eine, und vor ihrem Gesicht sprang wie eine Rakete die Flamme aus Friskins Feuerzeug auf.
    »Nun?« fragte er. »Können Sie sich vorstellen, warum er mit der Polizei sprechen will?«
    Sie schüttelte den Kopf, nahm die Zigarette, das Inhalieren, den Akt des Rauchens als Vorwand, nichts zu sagen. Friskin sah sie ruhig an. Sie wartete darauf, daß er noch eine Frage stellen oder seine eigene fachmännische Meinung darüber abgeben würde, wie Jimmys unerklärliches Verhalten zu erklären sei. Er tat keines von beidem. Er hielt sie lediglich mit seinem Blick fest, so unnachgiebig, als sagte er: Nun, Mrs. Cooper, können Sie es sich vorstellen? Und sie blieb dennoch stumm.
    »Der nächste Schritt ist Sache der Polizei«, sagte er schließlich.
    »Wenn er erfolgt, bin ich da. Bis dahin ...« Er zog seine Wagenschlüssel aus der Hosentasche und ging zur Tür. »Rufen Sie mich an, wenn Sie etwas mit mir besprechen möchten.«
    Sie nickte. Und schon war er fort.
    Sie blieb neben dem Fernsehapparat stehen und dachte an Jimmy in diesem Vernehmungszimmer. Jimmy, der sprechen wollte.
    »Alle Kinder haben ihre kleinen Eigenheiten«, hatte Kenny eines Nachmittags im Schlafzimmer zu ihr gesagt. Er hatte auf dem Bett gelegen, ein Bein hochgezogen, so daß es sich mit dem anderen kreuzte und beide zusammen eine Vier bildeten. Die Vorhänge waren zugezogen wegen der Mittagssonne, die aber dennoch hereinschien und die Farbe ihrer Körper veränderte. Kenny war goldbraun und muskulös, so daß er wie gemeißelt wirkte, und er lag da, einen Arm unter dem Kopf, als wollte er für immer bleiben. Was nicht stimmte. Was sie auch wußte. Er schob seine Hand ihren Rücken hinauf und umfaßte mit seinen Fingern behutsam ihren Nacken. »Weißt du nicht mehr, wie wir in dem Alter waren?«
    »Du hast damals mit mir geredet«, erwiderte sie. »Er tut's nicht.«
    »Weil du seine Mutter bist. Jungs reden nicht mit ihren Müttern.«
    »Mit wem denn?«
    »Mit ihren Freundinnen.« Er beugte sich vor, um ihre Schulter zu küssen. Und während sein Mund von ihrer Schulter zu ihrem Hals wanderte, murmelte er: »Und mit ihren Kumpels.«
    »Ach ja? Und mit ihren Vätern?«
    Sein Mund verharrte reglos. Er sagte nichts, und er küßte sie nicht mehr.
    Sie legte die Hand auf sein Bein. »Er braucht seinen Vater, Kenny.«
    Sie fühlte, wie er sich von ihr entfernte, als verblaßte sein Geist, während sein Körper so still lag wie das Wasser auf dem Grund eines Brunnens. Er war ihr so nahe, daß sie seinen Atem wie den Hauch eines Kusses fühlte, aber innerlich distanzierte er sich immer weiter.
    »Er hat seinen Vater.«
    »Du weißt, was ich meine«, widersprach sie. »Hier. Zu Hause.«
    Er setzte sich auf und schwang die Beine vom Bett. Er hob seine Unterhose und seine Hose auf und begann, sich anzukleiden. Sie lauschte dem Rascheln des Stoffs, der über seine Haut glitt, und dachte dabei, daß jedes Stück ihm dazu diente, sich gegen sie zu wappnen, wirksamer als mit einem Kettenhemd. Die Tatsache, daß er sich ankleidete, und der Zeitpunkt, den er dazu gewählt hatte, waren seine Antwort auf ihre unausgesprochene Bitte. Sie konnte nicht ertragen, wie weh es tat.
    »Ich liebe dich«, sagte sie. »Mein Herz ist so voll, wenn du hier bist.« Sie spürte, wie die Matratze in die Höhe schnellte, als er aufstand. »Wir brauchen dich, Kenny. Ich denke nicht nur an mich. Ich denke vor allem an die Kinder.«
    »Jean«, sagte er. »Es ist schwer genug für mich zu -«
    »- und ich soll es dir leichtmachen, ja?«
    »Das sage ich nicht. Ich meine nur, es ist nicht so einfach, als brauchte ich nur meine Sachen zu packen und wieder nach Hause zu ziehen.«
    »Es könnte aber so einfach sein, wenn du es wolltest.«
    »Für dich. Nicht für mich.«
    Sie wollte sprechen und konnte es nicht.
    »Nicht weinen, Jean«, bat er. »Komm doch, Jean.«
    Sie senkte den Kopf und schluckte das Schluchzen hinunter.
    »Warum kommst du überhaupt noch her, Kenny?« fragte sie.
    »Warum kommst du immer wieder? Warum läßt du's nicht einfach?«
    Er kam ans Bett und blieb vor ihr stehen. Er schob ihr das Haar aus dem Gesicht, aber ihre Frage beantwortete er nicht. Das war auch nicht nötig. Was er brauchte, war hier, in diesen vier Wänden. Aber was er wollte, war anderswo, und er hatte es nicht gefunden.
    Jean drückte ihre Zigarette im Aschenbecher aus und schüttete Asche

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