07 - Asche zu Asche
für sein Verhältnis mit Gabriella Patten.«
»Richtig.«
Lynley drehte seinen Plastikbecher hin und her und sagte:
»Und inwiefern ist das alles nun für unsere Ermittlungen von Bedeutung, Sergeant?«
»Weil es paßt, Sir. Es paßt genau. Kennen Sie sich im Scheidungsrecht aus?«
»Da ich es bisher leider nicht einmal zu einer Ehe gebracht habe ...«
»Klar, natürlich. Also, ich habe mich von Abercrombie im Schnellverfahren belehren lassen. Am Telefon.« Sie zählte die einzelnen Schritte auf und hakte sie an ihren Fingern ab. Als erstes füllten der Anwalt und sein Mandant einen Scheidungsantrag aus. Dann ging dieser Antrag an die Geschäftsstelle des zuständigen Gerichts, die eine Kopie davon zusammen mit einem Zustellungsbestätigungsformular an die Antragsgegnerin schickte. Die Antragsgegnerin hatte danach acht Tage Zeit, die Zustellungsbestätigung auszufüllen und an das Gericht zurückzusenden. Danach kam dann die Scheidung von selbst ins Rollen.
»Und genau das ist das Interessante«, sagte Barbara. »Jean Cooper hat ihre Kopie des Antrags an dem fraglichen Dienstag erhalten. Sie hatte acht Tage Zeit, die Zustellung zu bestätigen. Aber so, wie sich dann alles entwickelte, brauchte sie es gar nicht mehr zu tun. Der Scheidungsprozeß kam also gar nicht erst in Gang.«
»Weil Fleming an demselben Tag starb, an dem die Zustellungsbestätigung wieder bei Gericht hätte sein müssen«, ergänzte Lynley.
»Richtig. Genau an dem Tag. Na, ist das vielleicht kein toller Zufall?« Barbara stand auf und sah sich die Bilder an der Pinnwand an, insbesondere eine Großaufnahme von Flemings Gesicht. Ermordete, dachte sie, sehen niemals so aus, als schliefen sie. Nur im Roman blickt der Polizeibeamte auf sie hinab und macht sich Gedanken über die bittere Schönheit eines Lebens, dem vorzeitig ein Ende gesetzt wurde. »Wollen wir sie uns nicht schnappen?« fragte sie. »Hier haben wir doch die Erklärung, warum -«
»Welch ein Tag, welch ein Tag!« Constable Winston Nkata kam gutgelaunt ins Zimmer, das Jackett über der Schulter, ein dampfendes Samosa-Gebäck in der Hand. »Haben Sie eine Ahnung, wie viele Videotheken es in Soho gibt? Ich sag Ihnen, ich hab sie alle gesehen, innen wie außen, von oben bis unten.«
Nachdem er sich so ihre Aufmerksamkeit gesichert hatte, biß er kräftig in sein Samosa, schwang einen Stuhl herum und setzte sich rittlings darauf, die Ellbogen auf die Lehne gestützt. »Aber das Endresultat blieb immer das gleiche, ganz egal, durch wie viele Kataloge ich diese unschuldigen Kinderaugen gejagt habe. Machen Sie sich darauf gefaßt, Inspector, meine Mutter wird ein paar ernste Takte mit Ihnen darüber zu reden haben, was ihrem Nesthäkchen heute zugemutet wurde.«
»Soviel ich weiß, hatten Sie den Namen des Ladens«, versetzte Lynley trocken. »Es bestand also keinerlei Anlaß zu dieser ausgedehnten pornographischen Expedition.«
Nkata biß wieder von seinem Samosa ab. Barbara knurrte voller Verlangen der Magen.
»Man muß doch gründlich sein, Inspector. Ich will schließlich nicht ewig ein schlichter Constable bleiben.« Seine Kiefer mahlten. »Also, die Sache liegt folgendermaßen: Ich kann Ihnen sagen, ich mußte ganz schön hinarbeiten, um aus dem Typen in der Videothek was rauszukriegen. Die verraten es nämlich den Bullen nicht so gern, daß sie auch Pornos verleihen, und wie er mir ins Ohr flüsterte, wenn er nicht gerade versuchte, mich dahinter zu kraulen - aber die Story heb ich mir für ein andermal auf -«
»Danke, das ist nett von Ihnen«, entgegnete Lynley mit Inbrunst.
»Also, wie gesagt, die hängen es nicht gern an die große Glocke, daß sie Pornos verleihen, obwohl es ja nicht verboten ist. Aber es schadet eben ihrem Ruf. In diesem Fall brauchte er sich allerdings überhaupt keine Sorgen zu machen, weil diese Typen die Filme nämlich überhaupt nicht ausgeliehen haben.« Er schob das letzte Stück von seinem Samosa in den Mund und leckte sich die Krümel von den Fingern. »Hm, wieso hab ich den Eindruck, daß diese Neuigkeit Sie gar nicht überrascht?«
»Existieren denn die Filme überhaupt?« fragte Barbara.
»Oh, ja. Sie existieren. Jeder einzelne von ihnen. Wilde Weiber, wilde Wonnen ist zum Beispiel schon so oft ausgeliehen worden, daß man meint, man schaut einer Gymnastikvorführung im Schneetreiben zu.«
»Aber«, sagte Barbara zu Lynley, »wenn Faraday oder seine Freunde die Filme am letzten Mittwoch gar nicht ausgeliehen haben ...« Wieder
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