07 - Asche zu Asche
wanderte ihr Blick zu den Bildern von Kenneth Fleming. »Was hat das eigentlich mit Jimmy Cooper zu tun, Sir?«
»Also, ich hab nicht gesagt, daß Faradays Freund die Filme überhaupt nicht ausgeliehen hat«, warf Nkata eilig ein. »Ich hab nur gesagt, daß er sie an dem fraglichen Abend nicht ausgeliehen hat. An anderen Abenden -« Er zog sein Schreibheft aus der Jackentasche, wischte sich die Finger an einem blütenweißen Taschentuch, ehe er es dort aufschlug, wo ein dünnes rotes Band zwischen den Seiten lag, und las eine Liste von Daten vor, die sich über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren erstreckte. Zu den Daten verlas er die Namen immer anderer Videotheken, die sich jedoch nach einem gewissen Zeitraum zyklisch wiederholten. Die Phasen zwischen den einzelnen Daten waren unterschiedlich lang. »Na, ist das nicht interessant?«
»Bravo, Winston, das nenne ich Initiative«, sagte Lynley anerkennend.
Der Constable senkte in einer Anwandlung untypischer Bescheidenheit den Kopf.
Ein Telefon läutete, ein Beamter hob ab und sprach mit gedämpfter Stimme. Barbara dachte über Nkatas Neuigkeiten nach, und Nkata selbst fuhr zu sprechen fort.
»Kann natürlich sein, daß die Typen für diese besonderen Filme eine Vorliebe haben; aber ich habe eher den Eindruck, daß die sich da ein permanentes Gruppenalibi geschaffen haben. Man lernt eine Liste von Filmtiteln auswendig, für den Fall, daß die Bullen vorbeikommen und Fragen stellen. Das einzige, was von Mal zu Mal wechselt, ist die Videothek, bei der man sich die Filme holt. Und so einen einzelnen Namen kann man sich ja mit Leichtigkeit merken, nicht wahr?«
»Das heißt, wenn man lediglich die Unterlagen eines einzigen Verleihs überprüfte, würde einem gar nicht auffallen, daß immer wieder dieselben Filme ausgeliehen worden sind«, sagte Barbara nachdenklich.
»Genau das ist der Zweck der Übung. Sonst wären sie ja aufgeflogen.«
»Wer sie?« fragte Barbara.
»Faraday und seine Freunde«, antwortete Nkata. »Ich hab zwar keine Ahnung, was diese Burschen eigentlich treiben, aber meiner Ansicht nach haben sie da alle die Hände drin.«
»Aber für den letzten Mittwoch gilt das nicht.« »Nein. Was immer Faraday da getan hat, er hat es allein getan.«
»Sir?« Der Constable, der eben noch telefoniert hatte, wandte sich an Lynley. »Maidstone faxt uns jetzt den Autopsiebefund, aber er enthät nicht viel Neues. Asphyxie durch Kohlenmonoxyd. Und kaum noch Alkohol im Blut ...«
»Da, auf dem Nachttisch steht eine Flasche Black Bush.« Barbara wies auf die Fotos. »Und ein Glas ist auch da.«
»Nach dem Alkoholspiegel im Blut«, sagte der Constable, »ist anzunehmen, daß er längst weg war, als das Feuer gelegt wurde. Er hat's verschlafen, könnte man sagen.«
»Na ja, wenn man schon sterben muß«, bemerkte Nkata, »ist diese Art und Weise gar nicht so übel.«
Lynley stand auf. »Nur mußte er nicht.«
»Was?«
»Sterben.« Er nahm seinen leeren Plastikbecher und die geöffnete Kekspackung. Den Becher warf er in den Papierkorb, die Kekse sah er einen Moment lang unschlüssig an, ehe er sie Barbara zuwarf. »Reden wir mal mit ihm«, sagte er.
»Mit Faraday?«
»Ja, mal sehen, was er uns diesmal über seine Aktivitäten am letzten Mittwoch abend auftischt.«
»Aber was ist mit Jean Cooper?« fragte sie, ihm nacheilend.
»Die ist auch noch da, wenn wir mit Faraday fertig sind.«
20
Ein Anruf genügte, um Chris Faraday ausfindig zu machen. Er war nicht in Little Venice, sondern in Kilburn, wo er in einer ehemaligen Remise ein kleines Atelier hatte. Der Priory Walk war nicht mehr als eine schmale Gasse zwischen leerstehenden Gebäuden mit vernagelten Fenstern und schmutzigen Backsteinmauern. Abgesehen von einem chinesischen Restaurant mit Straßenverkauf schien das einzige wirklich florierende Unternehmen in der Gegend das Topfit-Gymnastik- und Aerobicstudio zu sein, auf dessen »speziell entwickeltem, gefedertem Boden, der Knie- und Fußgelenke schont« sich derzeit eine ganze Herde schwitzender Aerobic-Enthusiasten tummelte.
Faradays Atelier befand sich diesem Fitneßstudio direkt gegenüber. Das Wellblechtor war zu drei Vierteln heruntergezogen, doch als Lynley und Barbara an dem staubigen, grünen Lieferwagen vorüber waren, der neben dem Tor stand, konnte sie durch den Spalt ein paar Füße in Joggingschuhen sehen, die sich von einer Seite des Innenraums zur anderen bewegten.
Lynley schlug mit der offenen Hand an das Wellblechtor,
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