Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
07 - Asche zu Asche

07 - Asche zu Asche

Titel: 07 - Asche zu Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
unerwarteten Leckerbissen verdient hatte. Ich würde Toast zu meiner linken Seite und Beans zu meiner rechten Seite habe. Eigentlich sind sie ja lieber bei Chris, aber ich würde mir Hundebiskuits in die Taschen stecken und sie ihnen hin und wieder, wenn Mutter gerade nicht hinsah, auf den Boden zwischen die Pfoten legen. Wir würden ein Bild des Friedens und der Harmonie bieten: Freunde, Kameraden, Gleichgesinnte. Wir würden uns ihre Unterstützung erobern.
    Oder ich würde meinen Arzt anrufen lassen. »Mrs. Whitelaw«, würde er sagen, »hier spricht Stewart Alderson. Ich rufe wegen Ihrer Tochter Olivia an. Können wir einen Termin vereinbaren?« Sie würde wissen wollen, worum es sich handelte. Darauf würde er sagen, daß er das am Telefon nicht besprechen wolle. Ich würde schon bei ihm im Sprechzimmer sein, wenn sie eintraf. Sie würde die Gehhilfe neben meinem Stuhl sehen und sagen: »Mein Gott, Olivia! Was hat das zu bedeuten?« Der Arzt würde ihr alles erklären, und ich würde mit gesenktem Blick dabeisitzen.
    Jedes dieser phantastischen Wiedersehen spielte ich durch bis zu seinem logischen Schluß. Aber jedesmal war der Schluß der gleiche: Mutter siegte, ich verlor. Durch die äußeren Umstände des Zusammentreffens war ich stets im Nachteil. Ich konnte aus dieser Begegnung nur als Siegerin hervorgehen, wenn ich mit Mutter unter Bedingungen zusammentraf, die sie zwingen würden, sich im Glorienschein von Mitgefühl, Liebe und Vergebung zu zeigen. Sie mußte gut dastehen wollen. Da keine realistische Hoffnung bestand, daß sie Wert darauf legen würde, vor mir gut dazustehen, war mir klar, daß Kenneth Fleming dabei sein mußte, wenn sie und ich schließlich zusammentrafen. Ich würde also nach Kensington fahren müssen.
    Chris wollte mich begleiten, aber da ich ihn belogen und gesagt hatte, ich hätte Mutter bereits angerufen, wollte ich ihn nicht dabeihaben, wenn sie und ich uns zum erstenmal gegenübertraten. Darum wartete ich, bis ich wußte, daß eine ARM-Aktion geplant war, und verkündete dann genau an dem Abend beim Essen, daß Mutter mich um halb elf erwarte. Er könne mich ja auf der Fahrt zum Forschungslabor in Northampton in Kensington absetzen, sagte ich zu ihm. Und fügte gleich hastig hinzu, daß er mich sowieso nicht vor den frühen Morgenstunden abzuholen brauche, da Mutter und ich eine Menge zu besprechen hätten und ihr genausoviel wie mir an einer Aussöhnung gelegen sei. Wir hätten schließlich zehn Jahre der Entfremdung wiedergutzumachen.
    Er erwiderte mit einigem Widerwillen: »Ich weiß nicht recht, Livie. Die Vorstellung, daß du da draußen festsitzt, ist mir gar nicht sympathisch. Was ist, wenn es schiefgeht?«
    Ich hätte schon vorgefühlt, erklärte ich. Was denn groß schiefgehen solle? Ich sei ja wohl kaum in der Position, mit meiner Mutter zu streiten. Schließlich wolle ich ja ihre Hilfe. Und so weiter, und so fort.
    »Und wenn sie gemein wird?«
    »Sie wird doch einen armen Krüppel nicht demütigen! Jedenfalls nicht vor ihrem Lustknaben.«
    Aber Fleming werde sie vielleicht sogar dazu ermutigen, entgegnete Chris. Fleming werde vielleicht gar nicht scharf darauf sein, daß eine Versöhnung zwischen Mutter und mir zustandekäme.
    »Wenn Kenneth mir dumm kommt«, sagte ich, »ruf ich einfach Max an. Dann kann er mich abholen. Okay?«
    Chris war einverstanden, aber geheuer war ihm die ganze Sache nicht.
    Um fünf vor halb elf waren wir da. Wie immer gab es in der ganzen Straße nicht einen einzigen freien Parkplatz, deshalb ließ Chris den Motor laufen und kam um den Wagen herum, um mir zu helfen. Er stellte die Gehhilfe auf die Straße, hob mich aus dem Lieferwagen und fragte: »Stehst du sicher?«
    »So sicher wie der Fels von Gibraltar«, log ich strahlend.
    Um zur Haustür zu gelangen, mußte man erst einmal sieben Stufen bewältigen. Gemeinsam schafften wir es. Dann standen wir auf der Veranda. Im Eßzimmer brannte Licht. Das Erkerfenster war erleuchtet. Ebenso die Fenster des Salons darüber. Chris streckte den Arm aus, um zu läuten.
    »Warte«, sagte ich und sah ihn mit einem Lächeln an. »Ich möchte erst noch einmal tief Luft holen.« Und meinen Mut zusammenraffen. Wir warteten.
    Aus einem offenen Fenster irgendwo über uns hörte ich Musik. Im Blumenkasten vor dem Eßzimmer hatte Mutter Jasmin angepflanzt, dessen lange blühende Ranken bis zu den Erdgeschoßfenstern darunter herabhingen. Ich atmete den Duft der Blüten tief ein, dann sagte ich: »Hör zu,

Weitere Kostenlose Bücher