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07 - Asche zu Asche

07 - Asche zu Asche

Titel: 07 - Asche zu Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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»Aasgeier. Leichenfledderer.«
    Sie stand auf der untersten Stufe, und im Licht, das jetzt durch die offenen Türen und das unverhüllte Fenster hereinfiel, konnte ich erkennen, wie tiefgreifend der letzte Tag sie verändert hatte. Sie konnte nicht geschlafen haben. Jede Linie in ihrem Gesicht war zur tiefen Kerbe geworden. Unter ihren Augen hingen schlaffe Hautsäcke.
    Ich sah, daß sie in ihrer Faust etwas an die Brust gedrückt hielt, mahagonibraun auf aschfahler Haut.
    »Ich wußte es nicht«, flüsterte sie. »Wirklich nicht, Darling. Ich schwöre es.«
    »Mutter!« rief ich.
    »Ich wußte nicht, daß du dort warst.«
    »Wo?«
    »Im Haus. Ich wußte es nicht. Wirklich nicht.«
    In diesem Moment, als sie jede Möglichkeit des So-tun-als-Ob zwischen uns zerstörte, fühlte mein Mund sich an, als wäre ich monatelang durch die Wüste gewandert. Ich glaubte, ich müßte ohnmächtig werden, darum fixierte ich meine Aufmerksamkeit auf etwas, das sich außerhalb der Sphäre meiner rasenden Gedanken befand; ich konzentrierte mich ganz darauf, die Läutesignale des Telefons zu zählen. Als das Schrillen schließlich aufhörte, richtete ich meine Augen auf den Gegenstand, den meine Mutter noch immer an ihre Brust gedrückt hielt. Ich sah, daß es ein alter Cricket-Ball war.
    »Nach deinem ersten großen Spiel«, flüsterte sie, den Blick auf etwas gerichtet, das nur sie sehen konnte. »Wir sind zum Essen gegangen. Eine ganze Gruppe. Ach, wie du an jenem Abend warst! Schäumend vor Lebensfreude. So herrlich jung.«
    Sie hob den Ball an die Lippen. »Den hast du mir geschenkt. Vor all diesen Leuten. Vor deiner Frau und deinen Kindern. Vor deinen Eltern. Vor den anderen Spielern. ›Die Ehre gebührt der Person, der ich alles zu verdanken habe‹, sagtest du. ›Ich trinke auf Miriam. Sie hat mir den Mut gegeben, an meinen Träumen festzuhalten und sie zu verwirklichen.‹«
    Mutters Gesicht verzog sich, als wolle sie anfangen zu weinen. Ihre Hand zitterte heftig. »Ich habe es nicht gewußt«, sagte sie, die Lippen an den abgegriffenen Lederball gepreßt. »Ich habe es nicht gewußt.«
    Sie ging an mir vorüber, als wäre ich gar nicht da. Sie wandelte durch den Korridor in den kleinen Salon. Ich folgte ihr langsam und schwerfällig, und als ich ins Zimmer trat, stand sie am Fenster und schlug mit der Stirn gegen das Glas. Bei jedem Schlag erhöhte sie die Wucht. Und jedesmal sagte sie nur:
    »Ken.«
    Ich fühlte mich von Furcht und Entsetzen und durch meine körperliche Behinderung gelähmt. Was sollte ich tun? Mit wem sollte ich sprechen? Wie konnte ich helfen? Ich konnte ja nicht einmal in die Küche hinuntergehen und ihr etwas zu essen machen, was sie zweifellos dringend gebraucht hätte, weil ich die Mahlzeit nicht nach oben hätte bringen können. Und selbst wenn ich es gekonnt hätte - ich hatte viel zu große Angst, sie allein zu lassen.
    Wieder begann das Telefon zu läuten. Und zur gleichen Zeit schlug sie noch heftiger mit dem Kopf gegen das Glas. Ich merkte, wie meine Beine anfingen, sich zu verkrampfen. Ich spürte, wie alle Kraft aus meinen Armen wich. Ich mußte mich setzen. Und wäre am liebsten davongelaufen.
    Ich schleppte mich zum Telefon, hob den Hörer ab und legte ihn gleich wieder auf. Ehe es von neuem zu läuten anfangen konnte, tippte ich die Nummer des Hausboots ein und betete, Chris möge, nachdem er mich hier abgesetzt hatte, direkt nach Hause gefahren sein. Mutter schlug weiter mit der Stirn gegen das Fenster. Das Glas klirrte. Die erste Scheibe sprang.
    »Mutter!« rief ich, doch sie machte nur noch heftiger und noch schneller weiter.
    Als Chris sich meldete, sage ich nur: »Komm wieder her. Schnell!« und legte auf, ehe er überhaupt antworten konnte.
    Die Fensterscheibe brach. Die Scherben fielen klirrend aufs Fensterbrett und dann auf den Boden. So schnell ich konnte, ging ich zu Mutter. Sie hatte einen Schnitt an der Stirn, aber sie schien das Blut, das ihr in den Augenwinkel rann und dann wie die blutigen Tränen eines Märtyrers die Wange hinunterlief, gar nicht zu bemerken. Ich nahm sie beim Arm. Ich zog behutsam.
    »Mutter«, sagte ich. »Ich bin's, Olivia. Ich bin hier. Setz dich.«
    Sie sagte nur: »Ken.«
    »Du darfst dir das nicht antun. Um Gottes willen. Bitte.«
    Eine zweite Scheibe brach. Klirrend fiel das Glas zu Boden. Aus den frischen Schnitten begann Blut zu quellen.
    Ich riß sie zurück. »Hör auf!«
    Sie wand sich los, kehrte zum Fenster zurück und fing wieder an, mit

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