Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
07 - Asche zu Asche

07 - Asche zu Asche

Titel: 07 - Asche zu Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
dem Kopf gegen die Scheibe zu schlagen.
    »Verdammt noch mal!« schrie ich außer mir. »Hör endlich auf! Sofort!«
    Ich schleppte mich wieder näher zu ihr hin. Ich packte ihre Hände, ergriff den Cricket-Ball, entriß ihn ihr und schleuderte ihn zu Boden. Er rollte in eine Ecke unter ein Blumentischchen. Da drehte sie endlich den Kopf. Sie folgte dem Ball mit ihrem Blick, hob eine Hand an die Stirn, und als sie sie wegzog, sah sie das Blut. Da begann sie zu weinen.
    »Ich wußte nicht, daß du dort warst. Hilf mir. Liebster. Ich wußte nicht, daß du dort warst.«
    Ich führte sie, so gut es ging, zu dem Chesterfield-Sofa. Sie drückte sich in eine Ecke und legte den Kopf auf den Arm. Das Blut tropfte auf das altmodische Spitzendeckchen. Ich starrte sie hilflos an. Dann schlurfte ich ins Eßzimmer und fand die Karaffe mit dem Sherry. Ich goß mir ein Glas ein und kippte es hinunter. Dann noch eines. Das dritte nahm ich fest in die Hand und schleppte mich vorsichtig, um nichts zu verschütten, zu ihr zurück.
    »Trink das«, bat ich. »Mutter, hörst du mich? Trink das hier. Du mußt es nehmen, weil ich es nicht mehr lange halten kann. Hörst du mich, Mutter? Es ist Sherry. Du mußt einen Schluck trinken.«
    Sie hatte aufgehört zu sprechen. Sie schien auf die silberne Schließe an meinem Gürtel zu starren. Mit einer Hand zupfte sie an dem Spitzendeckchen unter ihrem Kopf. Mit der anderen hielt sie den Gürtel ihres Morgenrocks. Ich schob mühsam meine Hand vorwärts und hielt ihr den Sherry hin.
    »Bitte«, sagte ich. »Mutter, nimm es bitte.«
    Sie rührte sich nicht. Ich stellte das Glas auf den Spieltisch vor dem Sofa. Dann tupfte ich ihr die Stirn mit dem Spitzendeckchen ab. Die Schnitte waren nicht tief. Nur einer wollte nicht aufhören zu bluten. Ich hielt das Deckchen darauf gepreßt, als es draußen läutete.
    Chris nahm mit gewohnter Kompetenz alles in die Hand. Er warf nur einen Blick auf sie, rieb ihre Hände zwischen den seinen und hielt ihr den Sherry an den Mund, bis sie getrunken hatte.
    »Sie braucht einen Arzt«, erklärte er.
    »Nein!« Ich hatte Angst davor, was sie sagen würde, welche Schlüsse ein Arzt ziehen, was als nächstes geschehen würde. Ich beherrschte meine Stimme. »Das schaffen wir auch ohne Arzt. Sie hat einen Schock erlitten. Wir müssen sie dazu bringen, daß sie etwas ißt. Und dann muß sie ins Bett.«
    Mutter rührte sich. Sie hob die Hand und betrachtete das Handgelenk, das voller Blut war. Es war inzwischen getrocknet und hatte die Farbe feuchten Rosts angenommen. »Oh«, sagte sie. »Ich habe mich geschnitten.« Sie drückte das Handgelenk an den Mund und leckte es mit der Zunge sauber.
    »Kannst du sie dazu bringen, daß sie etwas ißt?« fragte ich Chris.
    »Ich wußte nicht, daß du da warst«, flüsterte Mutter.
    Chris starrte sie an.
    »Frühstück«, sagte ich hastig. »Cornflakes. Tee. Irgendwas. Chris, bitte. Sie muß etwas essen.«
    »Ich wußte es nicht«, wiederholte Mutter.
    »Was redet sie -«
    »Chris! Um Himmels willen. Ich komme nicht in die Küche hinunter.«
    Er nickte und ging.
    Ich setzte mich neben sie. Mit einer Hand hielt ich weiterhin meine Gehhilfe umfaßt, nur um etwas Stabiles unter meinen Fingern zu fühlen. Leise sagte ich: »Du warst Mittwoch abend in Kent?«
    »Ich wußte nicht, daß du dort warst. Ken, ich wußte es wirklich nicht.« Tränen sprangen ihr aus den Augen.
    »Hast du ein Feuer gelegt?«
    Sie drückte die Faust gegen den Mund.
    »Warum?« flüsterte ich. »Warum hast du es getan?«
    »Mein ein und alles. Mein Herz. Meine Seele. Nichts wird dich verletzen. Nichts. Niemand.« Sie biß in ihren Zeigefinger, als sie zu schluchzen begann.
    Ich legte meine Hand auf ihre Faust und versuchte, sie ihr aus dem Mund zu ziehen. Sie war weit stärker, als ich gedacht hatte.
    Wieder begann das Telefon zu läuten. Es brach so schnell ab, daß ich vermutete, Chris habe in der Küche abgehoben. Er würde die Journalisten schon abwimmeln. In der Hinsicht hatten wir nichts zu befürchten. Aber während ich meine Mutter beobachtete, wurde mir klar, daß ich ja auch gar nicht die Telefonanrufe der Journalisten fürchtete. Ich fürchtete die Polizei.
    Ich versuchte, sie zu beruhigen, indem ich ihr vorsichtig über das Haar strich. »Mutter«, sagte ich, »wir werden das genau durchdenken. Es wird alles gut werden.«
    Chris kam mit einem Tablett, das er ins Eßzimmer trug. Ich hörte das Klappern von Geschirr und Besteck, als er den Tisch deckte.

Weitere Kostenlose Bücher