07 - Asche zu Asche
sein.«
»Damit sind wir schon beim zweiten interessanten Detail. Er dürfte wohl kaum die Einsamkeit gesucht haben, als er in das Haus nach Springburn fuhr. Das war nämlich zu der Zeit bewohnt. Von einer Frau namens Gabriella Patten.«
»Ist sie eine Prominente?«
»Sie ist die Ehefrau von Hugh Patten.« »Und der ist ...?«
»Der Direktor eines Unternehmens namens Powersource, Sponsor der diesjährigen Vergleichskämpfe gegen Australien. Und sie - Gabriella, seine Frau - ist verschwunden. Aber ihr Auto steht noch in der Garage des Cottage. Was schließen Sie daraus?«
»Wir haben eine Verdächtige?«
»Durchaus möglich, ja.«
»Oder eine Entführung?«
Er drehte die erhobene Hand hin und her, um seine Skepsis deutlich zu machen. Dann fuhr er fort: »Nun zur dritten Tatsache: Obwohl Fleming im Schlafzimmer gefunden wurde, war er - wie Sie selbst gesehen haben - voll bekleidet. Nur das Jackett hatte er ausgezogen. Und weder im Schlafzimmer noch sonstwo im Haus war ein Koffer zu finden.«
»Er hatte also nicht die Absicht gehabt zu bleiben, meinen Sie? Vielleicht ist er bewußtlos geschlagen und da raufgeschleppt worden, um den Anschein zu erwecken, er hätte ein Nickerchen machen wollen?«
»Und die vierte interessante Tatsache: Seine Frau und seine Kinder leben auf der Isle of Dogs, aber Fleming selbst lebte seit zwei Jahren in Kensington.«
»Also getrennt, richtig? Wieso ist das von Interesse?«
»Weil er - in Kensington - mit der Frau zusammenlebte, der das Haus in Kent gehört.«
»Mit dieser Gabriella Patten?«
»Nein, die ist nur die Mieterin. Es handelt sich um eine dritte Frau. Um eine gewisse« - Lynley suchte mit dem Finger auf dem Blatt, das er vor sich liegen hatte - »Miriam Whitelaw.«
Barbara, die ein Bein über das andere geschlagen hatte, spielte am Schnürsenkel ihres roten Joggingstiefels. »Scheint ganz schön rumgekommen zu sein, der gute Fleming, wenn er nicht gerade Cricket gespielt hat. Eine Ehefrau auf der Isle of Dogs, eine - was? - Geliebte in Kensington?«
»So sieht es aus.«
»Was war dann die in Kent?«
»Das ist die Frage«, sagte Lynley. Er stand auf. »Sehen wir mal, ob wir die Antwort finden.«
4
Die Häuser von Staffordshire Terrace zogen sich quer über den Südhang des Campden Hill, Zeugnis des Höhepunkts viktorianischer Architektur im nördlichen Teil Kensingtons. Sie waren in einem Stil erbaut, der der italienischen Renaissance nachempfunden war; weder fehlten Balustraden und Erker noch gezinnte Dachsimse, noch weiße Stuckelemente, die zum Schmuck der eigentlich schlichten und soliden Bauten aus pfefferfarbenem Backstein dienten. Hinter schwarzen schmiedeeisernen Zäunen säumten sie die schmale Straße in eintöniger Würde und unterschieden sich äußerlich nur durch die Blumen voneinander, die in Kästen oder Töpfen wuchsen.
In den drei Blumenkästen vor dem Erkerfenster des Hauses Nummer 18 wuchs Jasmin in überreicher Fülle. Im Gegensatz zu den meisten anderen Häusern in der Straße, war Nummer 18 nicht in ein Wohnhaus für mehrere Parteien umgewandelt worden. Es gab nur eine einzige Türglocke. Dort läutete Lynley, der in Begleitung von Barbara Havers gekommen war, ungefähr fünfundzwanzig Minuten nachdem man sich von Inspector Isabelle Ardery verabschiedet hatte.
»Stinkvornehm.« Barbara wies mit einer Kopfbewegung zur Straße. »Ich habe drei BMWs gesehen, zwei Range Rover, einen Jaguar und ein Coupe de Ville.«
»Coupe de Ville?« fragte Lynley und blickte zur Straße zurück, die vom gelben Lichtschein viktorianischer Laternen erleuchtet war. »Ist etwa Chuck Berry in der Gegend?«
Barbara lachte. »Und ich hab gedacht, Sie hören niemals Rock 'n' Roll.«
»Manche Dinge eignet man sich durch Osmose an, Sergeant, dadurch, daß man einer allgemeinen kulturellen Erfahrung ausgesetzt ist, die auf hinterhältige Weise Teil des eigenen Wissensschatzes wird. Ich nenne das unbewußte geistige Assimilation.« Er sah zu dem Fenster über der Tür hinauf. Licht schimmerte nach draußen. »Sie haben sie doch angerufen, oder?«
»Unmittelbar bevor wir losgefahren sind.«
»Und was haben Sie gesagt?«
»Daß wir wegen ihres Hauses und des Brands mit ihr reden wollen.«
»Wo bleibt sie -«
Hinter der Tür erklang eine feste Stimme. »Wer ist da, bitte?«
Lynley gab Auskunft. Sie hörten, wie drinnen ein Sicherheitsschloß entriegelt wurde. Die Tür öffnete sich, und sie sahen sich einer grauhaarigen Frau in einem eleganten marineblauen
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