07 - Asche zu Asche
Kleid mit Jacke gegenüber. Sie trug eine modische Brille, in deren Gläsern das Licht funkelte, als sie von Lynley zu Barbara blickte.
»Wir möchten zu Miriam Whitelaw«, sagte Lynley und zeigte der Frau seinen Ausweis.
»Ja«, erwiderte sie. »Ich weiß. Ich bin Miriam Whitelaw. Bitte kommen Sie herein.«
Lynley spürte den Blick, den Barbara ihm zuwarf. Er wußte, sie fragte sich in diesem Moment genau wie er, ob sie ihre Vermutungen über die Beziehung zwischen Kenneth Fleming und der Frau, mit der er zusammenlebte, würden revidieren müssen. Miriam Whitelaw schien, so elegant und gepflegt sie war, etwa Ende Sechzig zu sein, also mehr als dreißig Jahre älter als der Tote in Kent. Die Wendung »mit jemandem zusammenleben« hatte heutzutage eine unmißverständliche Konnotation. Sowohl Lynley als auch Barbara Havers hatten sie sich ohne zu überlegen zu eigen gemacht. Was, wie Lynley sich mit Verdruß sagte, nicht gerade für die Wissenschaftlichkeit ihrer Arbeitsmethoden sprach.
Miriam Whitelaw trat von der Tür zurück und bat sie ins Haus. »Am besten gehen wir in den Salon hinauf«, meinte sie und führte sie durch den Korridor zu einer Treppe. »Da habe ich Feuer gemacht.«
Und ein Feuer, dachte Lynley, ist hier dringend notwendig. Obwohl man sich dem Sommer näherte, war es in diesem Haus nur einige Grad wärmer als in einem Tiefkühlraum.
Miriam Whitelaw schien seine Gedanken zu erraten; sie bemerkte über ihre Schulter hinweg: »Mein verstorbener Mann und ich haben Ende der sechziger Jahre, als mein Vater einen Schlaganfall hatte, Zentralheizung einbauen lassen. Aber ich benutze sie kaum. Ich bin meinem Vater wahrscheinlich ähnlicher, als ich erwartet hätte. Er wünschte, daß das Haus genauso blieb, wie seine Eltern es in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts erbaut und eingerichtet hatten. Lediglich mit dem Verlegen von elektrischen Leitungen war er nach Ende des Zweiten Weltkriegs endlich einverstanden. Sentimental, ich weiß. Aber so ist es nun einmal.«
Lynley hatte nicht den Eindruck, als hätte sie den Wünschen ihres Vaters in irgendeiner Weise zuwider gehandelt. Beim Betreten dieses Hauses fühlte man sich wie in einer Zeitkapsel. Da gab es William-MorrisTapeten, zahllose alte Stiche an den Wänden, Perserteppiche auf den Böden, als Wandleuchten blaue Glasschirme ehemaliger Petroleumlampen und einen offenen Kamin mit einem Bronzegong darüber. Es war alles entschieden seltsam.
Dieser Eindruck des Anachronistischen verstärkte sich noch, als sie die Treppe hinaufstiegen, zuerst an einer Wand mit vergilbten Jagdstichen vorbei, dann, nach dem Zwischengeschoß, eine Wand entlang, die vollgehängt war mit gerahmten Karikaturen aus dem Punch. Sie waren chronologisch geordnet, und die ersten stammten aus dem Jahr 1858.
Lynley hörte, wie Barbara unterdrückt »Heiliger Bimbam« murmelte, während sie sich umsah. Er bemerkte ihr Schaudern und wußte, mit der Kälte hatte es nichts zu tun.
Der Raum, in den Miriam Whitelaw sie führte, hätte entweder die stilechte Kulisse für einen Kostümfilm oder die Museumsreproduktion eines typischen viktorianischen Salons sein können: zwei gekachelte offene Kamine, beide mit Marmor eingefaßt, mit vergoldeten venezianischen Spiegeln über den Simsen, auf denen Ormolu-Uhren, etruskische Vasen und kleine Bronzen standen, vorzugsweise von Merkur und Diana und muskulösen Ringern. Im entfernteren Kamin brannte ein Feuer, und dorthin führte Miriam Whitelaw sie. Man hatte weniger das Gefühl, sich in einem Wohnzimmer zu befinden, als vielmehr in einem Labyrinth von Hindernissen in Form von Troddeln und Quasten, Arrangements aus getrockneten Blumen, Hockern und Fußschemeln, die den Unbedachten heimtückisch zu Fall zu bringen drohten. Fehlt nur noch eine Miss Havisham, dachte Lynley.
Und wieder, als hätte sie seine Gedanken erraten, bemerkte Mrs. Whitelaw: »Man gewöhnt sich daran, Inspector. Als Kind war das Haus für mich ein Zauberschloß. Diese vielen faszinierenden Dinge, die man hier zu sehen bekam und um die man seine Geschichten spinnen konnte! Als ich das Haus dann erbte, brachte ich es einfach nicht übers Herz, etwas daran zu verändern. Bitte. Setzen Sie sich doch.«
Sie selbst wählte einen bequemen Sessel, der mit grünem Samt bezogen war, und wies ihre Gäste zu den Sitzgelegenheiten, die näher beim Feuer standen. Sie waren tief und weich. Man saß nicht eigentlich in ihnen, man versank.
Lynley erklärte Miriam Whitelaw, wie
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