07 - Asche zu Asche
unserem Fall in die Ritze zwischen Sitzpolster und Armlehne des Ohrensessels. Dann verschwindet er. Die Zigarette brennt in vier bis sieben Minuten herunter, und die Streichhölzer entzünden sich. Der Brand bricht aus.«
»Wie kommen Sie auf diese Zeitspanne?« fragte Barbara.
»Jede Zigarettenmarke brennt mit anderer Geschwindigkeit.«
»Wissen wir die Marke?« Lynley hatte seine Brille wieder aufgesetzt. Er sah erneut in den Bericht.
»Im Augenblick nicht. Aber das Labor hat alle Bestandteile: die Zigarette, die Streichhölzer und das Gummiband, das sie zusammengehalten hat. Wir werden -«
»Untersuchen Sie auch auf Speichel und Fingerabdrücke?«
Sie lächelte flüchtig. »Wir haben, wie zu erwarten, Inspector, ein gutes Labor in Kent, und wir verstehen auch, uns seiner zu bedienen. Aber was Fingerabdrücke angeht, werden wir wohl kaum mehr finden als Teilabdrücke. Von dieser Seite ist also leider nicht viel zu erwarten.«
Lynley ging, wie Barbara bemerkte, auf die unterschwellige Zurechtweisung nicht ein. »Und die Marke?« fragte er.
»Die Marke läßt sich eindeutig feststellen. Anhand der Zigarette.«
Lynley reichte Barbara eine Serie Fotografien, während Isabelle Ardery weitersprach. »Es sollte nach einem Unglücksfall aussehen. Der Brandstifter wußte nicht, daß Zigarette, Streichhölzer und Gummiband nicht völlig verbrennen würden. Dieser Irrtum ist verständlich. Und wir profitieren davon, denn er verrät uns, daß wir es nicht mit einem Profi zu tun haben.«
»Warum sind die einzelnen Teile denn nicht verbrannt?« fragte Barbara und begann, die Fotos durchzublättern. Sie entsprachen Isabelle Arderys Beschreibung des Tatorts: der verkohlte Sessel, die Brandspuren an der Wand, der tödliche Weg des Rauchs. Sie legte sie wieder hin und hob, auf Antwort wartend, den Blick, ehe sie sich den Bildern des Toten zuwandte. »Warum sind sie nicht verbrannt?« wiederholte sie.
»Weil Zigaretten und Streichhölzer im allgemeinen oben auf Asche und Trümmern zurückbleiben.«
Barbara nickte nachdenklich. Sie schüttelte die letzten Chips aus dem Beutel, aß sie, knüllte die Tüte zusammen und warf sie in den Papierkorb. »Und was geht uns das an?« fragte sie Lynley.
»Es könnte doch ein Selbstmord sein, oder nicht? Der aus Versicherungsgründen als Unglücksfall inszeniert wurde.«
»Diese Möglichkeit dürfen wir natürlich nicht übersehen«, erwiderte Isabelle Ardery. »Der Sessel hat soviel Kohlenmonoxid abgesondert wie ein AutoAuspuff.«
»Könnte also der Tote nicht alles für das Feuer vorbereitet haben, dann eine Handvoll Tabletten und ein paar Drinks geschluckt haben, und alles war paletti?«
»Das ist nicht von der Hand zu weisen«, meinte Lynley, »wenn es auch in Anbetracht aller Umstände unwahrscheinlich ist.«
»Aller Umstände? Welcher Umstände?«
»Die Obduktion ist noch nicht abgeschlossen. Wie Inspector Ardery erzählte, hat der Pathologe zwei oder drei andere Leichen auf die Warteliste gesetzt, um gleich mit dieser hier anfangen zu können. Die ersten Ergebnisse zum Kohlenmonoxidgehalt im Blut bekommen wir sofort. Aber die Untersuchungen auf Drogenrückstände werden einige Zeit dauern.«
Barbara blickte von Lynley zu Isabelle Ardery. »Gut«, sagte sie langsam. »Okay. Kapiert. Aber wenn diese Untersuchungen so lange dauern, wieso müssen wir dann jetzt schon ran?«
»Wegen der Person des Toten.«
»Der Person des Toten?« Sie nahm die restlichen Bilder zur Hand, die in einem niedrigen Schlafzimmer aufgenommen waren. Der Tote lag, quer über einem Messingbett, auf dem Bauch, bekleidet mit einer grauen Hose, schwarzen Socken und einem hellblauen Hemd, dessen Ärmel bis über die Ellbogen aufgerollt waren. Sein Kopf ruhte auf dem angewinkelten linken Arm auf dem Kopfkissen. Der rechte Arm war zum Nachttisch ausgestreckt, auf dem ein leeres Glas und eine Flasche Bushmills standen. Man hatte ihn aus jedem nur möglichen Winkel fotografiert. Barbara betrachtete die Nahaufnahmen genau.
Seine Augen waren fast geschlossen, nur eine schmale weiße Sichel war zwischen den Lidern zu sehen. Seine Haut war unregelmäßig verfärbt: fast rot an Lippen und Wangen, eher rosig an der einen, sichtbaren Schläfe, der Stirn und dem Kinn. In einem Mundwinkel hing ein dünner, blasiger Speichelfaden, der ebenfalls rosig gefärbt war. Barbara sah sich das Gesicht des Mannes an. Es kam ihr vage bekannt vor, aber sie wußte nicht, wo sie es einordnen sollte. Politiker? dachte sie.
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