07 - Asche zu Asche
Mutters Idee gewesen, sie hatte ja auch sämtliche Beziehungen spielen lassen, um mich in Girton unterzubringen -, wenn ich ein Hotelzimmer in Bayswater haben konnte und einen richtigen Mann, der dafür zahlte und jeden Tag vorbeikam, um auf einer durchgelegenen Matratze eine Nummer mit mir zu schieben.
Nach einer Woche, als meine Freundinnen sich sagten, daß es ihrem Ansehen an der Uni nur schaden konnte, wenn sie mich noch länger deckten, schlug man in Girton Alarm. Man rief meine Eltern an. Meine Eltern riefen die Polizei an. Den einzigen Hinweis, den sie den Bullen geben konnten, war die Adresse Julip's in Soho, aber ich war volljährig, und da in letzter Zeit keine weibliche Leiche meines Alters und meiner Maße aus der Themse gefischt worden war, und da die IRA plötzlich Geschmack daran entwickelt hatte, in Autos, Kaufhäusern und Untergrundbahnhöfen Bomben zu hinterlassen, stürzten sich die Bullen nicht gleich wie Bluthunde auf meine Fährte. Es vergingen daher drei Wochen, ehe Mutter, mit Dad am Arm, im Commodore aufkreuzte.
Ich war sturzbesoffen, als sie kamen. Es war kurz nach acht Uhr abends, und ich hatte seit vier Uhr getrunken. Als es klopfte, glaubte ich, es sei der Mann vom Empfang, der die Miete abholen wollte. Ich dachte, du gottverdammter blöder Kerl, laß mich bloß in Ruhe, und war schon richtig in Fahrt, als ich die Tür aufriß. Und da standen sie. Ich sehe sie noch heute vor mir: Mutter in einem dieser adretten, schlichten Kleider, die sie in allen Variationen trägt, seit Jackie Kennedy diese Mode populär gemacht hat; Dad in Anzug und Krawatte, wie zum Anstandsbesuch ausstaffiert.
Ich bin sicher, auch Mutter kann mich bis zum heutigen Tag vor sich sehen: in einem von Richies eingelaufenen T-Shirts und weiter nichts. Ich weiß nicht, was sie im Commodore zu finden erwartete, als sie an diesem Abend vorbeikam. Aber ich konnte ihr ansehen, daß sie nicht darauf gefaßt war, daß Liv Whitelaw, die Gesetzlose, die Tür aufmachen würde.
»Olivia!« rief sie. »Mein Gott!« Dad sah mich einmal kurz an, senkte die Lider, sah mich dann noch einmal an. Er schien in seinen Kleidern zu schrumpfen.
Ich blieb an der Tür stehen, eine Hand am Knauf, die andere am Pfosten. In gelangweiltem Ton sagte ich: »Gibt's ein Problem?« Ich wußte genau, was kommen würde - Schuldzuweisungen, Tränen und Manipulationsversuche, ganz zu schweigen natürlich von dem Versuch, mich irgendwie aus dem Commodore herauszulotsen -, und ich wußte, es würde unsäglich langweilig werden.
»Was ist mit dir passiert?« fragte sie.
»Ich hab einen Mann kennengelernt. Wir leben zusammen. Das ist die ganze Geschichte.«
»Das College hat uns angerufen«, sagte sie. »Deine Lehrer sind außer sich. Deine Freunde machen sich die größten Sorgen um dich.«
»Cambridge ist out.«
»Aber deine Ausbildung, deine Zukunft, dein Leben«, warnte sie. Sie sprach sehr vorsichtig. »Was denkst du dir denn?«
Ich zupfte an meiner Lippe. »Was ich mir denke? Hmmm ... Ich denk eigentlich nur daran, daß ich mit Richie Brewster bumsen möchte, sobald er wieder da ist.«
Mutter schien einen ganzen Kopf größer zu werden. Dad senkte wieder den Blick zu Boden. Seine Lippen bewegten sich, als er etwas murmelte, das ich nicht verstand.
»Was haste gesagt, Alter?« fragte ich und lehnte mich mit dem Rücken an den Türpfosten. Aber eine Hand ließ ich auf dem Knauf. Ich war nicht naiv. Ich wußte genau, wenn es meine Mutter schaffte, in das Zimmer hereinzukommen, war mein Leben mit Richie vorbei.
Doch sie schien einen anderen Weg einschlagen zu wollen, den der Vernunft und der Hoffnung, Olivia wieder zur Einsicht zu bringen. Sie sagte: »Wir haben mit den maßgebenden Leuten im College gesprochen. Sie sind bereit, es noch einmal mit dir zu versuchen. Pack also jetzt deine Sachen.«
»Nein.«
»Olivia!«
»Du kapierst es anscheinend nicht. Ich liebe ihn. Er liebt mich. Wir leben hier zusammen.«
»Das ist kein Leben.« Sie sah nach rechts und nach links, als wollte sie sich ein Bild davon machen, in welchem Maß diese Umgebung zu meiner Ausbildung und meiner Zukunft beitragen könnte. Ihr Ton, als sie zu sprechen fortfuhr, war ruhig, und sie appellierte an meine Vernunft. »Du bist unerfahren. Du bist verführt worden. Es ist verständlich, daß du glaubst, diesen Mann zu lieben, daß du glaubst, er liebe dich. Aber dieses - das hier, - ...« Ich sah ihr an, daß sie sich wahnsinnig zusammennahm, um nicht die Kontrolle zu
Weitere Kostenlose Bücher