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07 - Asche zu Asche

07 - Asche zu Asche

Titel: 07 - Asche zu Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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mit beiden Händen zum Mund und bemühe mich, nicht vor Schmerzen zu stöhnen. Chris merkt es. Er massiert mich. Die Muskeln lockern sich wieder.
    Wenn das endlich geschieht, sage ich: »Tut mir leid.« Und er darauf: »Was braucht dir denn leid zu tun, Livie?«
    Ja, das ist die Frage. Wenn er sie mir stellt, ist das wie mit der Musik, dem Gelächter, der Wäsche, dem Anblick eines Gesichts, dem zufälligen Blickwinkel. Dann werde ich wieder zur Zeitreisenden, die weit zurückgetragen wird, um der ins Gesicht zu schauen, die ich war.
    Zwanzig Jahre alt und schwanger. Ich nannte es »das Ding«. Ich sah es nicht als Kind, das in mir wuchs; ich betrachtete es als lästigen Klotz am Bein. Für Richie diente es als Entschuldigung, sich davonzumachen. Er war wenigstens so anständig, die Hotelrechnung zu begleichen, ehe er sich aus dem Staub machte, aber er war so unanständig, dem Mann am Empfang zu sagen, daß ich von nun an »auf mich selbst gestellt« sei. Ich hatte mich beim Personal des Commodore unbeliebt genug gemacht. Die waren froh, mich an die Luft setzen zu können.
    Ich begab mich erst einmal in ein Café gegenüber vom Untergrundbahnhof Bayswater, trank einen Kaffee, aß ein Wurstbrötchen und überlegte, welche Möglichkeiten ich hatte. Ich starrte das vertraute Rot, Weiß und Blau des U-Bahn-Schilds an, bis sich mir seine Logik und das Mittel zur Behebung all meiner Leiden offenbarten. Dort war der Zugang zur Circle und zur District Line, kaum dreißig Meter von der Stelle entfernt, an der ich saß. Und nur zwei Haltestellen südlich war die Kensington High Street. Zum Teufel, dachte ich bei mir. Das mindeste, fand ich, was ich in diesem Leben tun konnte, war Mutter die Chance zu geben, zur Abwechslung mal nicht Elizabeth Fry zu spielen, sondern Florence Nightingale. Ich fuhr nach Hause.
    Sie fragen sich, wieso die mich wieder aufgenommen haben? Ich nehme an, Sie sind eine von denen, die ihren Eltern nie auch nur den geringsten Kummer bereitet hat, wie? Darum können Sie sich wahrscheinlich nicht vorstellen, wieso man eine wie mich wieder aufnehmen sollte. Sie haben die Grunddefinition von Zuhause vergessen: ein Ort, an dem man nur mit zerknirschter Miene aufzukreuzen braucht, um eingelassen zu werden. Erst wenn man drin ist und ausgepackt hat, bringt man den Leuten schonend die schlechte Nachricht bei, die einen hergeführt hat.
    Ich wartete zwei Tage, ehe ich Mutter sagte, daß ich schwanger war. Ich überraschte sie damit, als sie gerade über den Arbeiten einer ihrer Englischklassen saß. Sie war im Eßzimmer, vorn im Haus, hatte vor sich drei Stapel Aufsätze auf dem Tisch liegen und neben sich eine dampfende Kanne Darjeeling stehen. Ich nahm einen Aufsatz von einem Stapel und überflog ohne sonderliches Interesse den ersten Satz. Ich kann mich heute noch an ihn erinnern: »Wenn der Leser den Charakter Maggie Tullivers zu ergründen sucht, wird er zwangsläufig dahin kommen, über den Unterschied zwischen Schicksal und Verhängnis nachzudenken.« Wie prophetisch.
    Ich warf das Blatt auf den Tisch. Mutter blickte auf und sah über den Rand ihrer Brillengläser hinweg, ohne den Kopf zu heben.
    »Ich bin schwanger«, sagte ich.
    Sie legte ihren Bleistift nieder. Sie nahm die Lesebrille ab. Sie schenkte sich noch eine Tasse Tee ein. Keine Milch, keinen Zucker, aber sie rührte dennoch um. »Weiß er es?«
    »Offensichtlich.«
    »Wieso offensichtlich?«
    »Na, er ist doch abgehauen.«
    Sie trank einen Schluck. »Ach so.« Sie ergriff ihren Bleistift und klopfte sich mit ihm auf den kleinen Finger. Sie lächelte einen Moment. Sie schüttelte den Kopf. Ich erinnere mich, wie ihr Schmuck im Licht glänzte.
    »Was denn?« fragte ich.
    »Nichts.« Wieder trank sie von ihrem Tee. »Ich dachte, du wärst zur Vernunft gekommen und hättest dich von ihm getrennt. Ich hoffte, du wärst deshalb zurückgekommen.« »Was macht das für einen Unterschied? Es ist aus. Ich bin wieder da. Reicht das nicht?«
    »Was hast du jetzt vor?«
    »Mit dem Kind?«
    »Mit deinem Leben, Olivia.«
    Ich haßte diesen Lehrerinnenton. »Das ist doch wohl meine Sache«, antwortete ich. »Vielleicht bring ich das Kind zur Welt. Vielleicht auch nicht.«
    Ich wußte, was ich vorhatte, aber sie sollte es vorschlagen. Sie hatte sich so viele Jahre lang als die Frau mit dem untadeligen sozialen Gewissen aufgeführt. Ich verspürte das Bedürfnis, sie zu entlarven.
    Sie sagte: »Ich muß das erst einmal verdauen.« Damit beugte sie sich wieder

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