07 - Asche zu Asche
als eine Kreuzung aus Humphrey Bogart und David Niven. Er sagte: »Darf ich mich zu Ihnen setzen?« Und Liv Whitelaw, die Gesetzlose, antwortete mit blasierter Miene:
»Tun Sie, was Sie nicht lassen können.« Soweit ich erkennen konnte, war Richie ein alter Knacker, weit über vierzig, vielleicht näher fünfzig. Seine Haut um Kinn und Augen war schlaff. Er interessierte mich nicht.
Warum bin ich dann an dem Abend mit ihm gegangen, als die Band ihre letzte Nummer gespielt hatte und das Julip's zumachte? Ich könnte Ihnen erzählen, daß der letzte Zug nach Cambridge weg war und ich nicht wußte, wohin, aber ich hätte ja heim nach Kensington fahren können. Tja, als Richie sein Saxophon einpackte, zwei Zigaretten anzündete, mir eine reichte und mich fragte, ob ich noch Lust auf einen Drink hätte, glaubte ich eben, da winke eine Verheißung aufregender neuer Erfahrungen. Und darum sagte ich: »Gern, warum nicht?« und gab so meinem Leben eine ganz neue Richtung.
Wir fuhren in einem Taxi nach Bayswater. Richie sagte zum Fahrer: »Zum Commodore, am Queensway«, legte seine Hand ganz oben auf meinen Schenkel und drückte zu.
Das ganze Getue hatte für mich den Reiz des Verbotenen, und ich kam mir dabei wahnsinnig erwachsen vor. Am Hotelempfang wechselte das Geld den Besitzer, wir bekamen zwei Flaschen ausgehändigt, stiegen zum Zimmer hinauf, sperrten auf. Richie sah mich die ganze Zeit über immer wieder an, und ich lächelte mit Verschwörermiene zurück. Ich war Liv Whitelaw, die Gesetzlose, ein männermordender Vamp, dem die Männer aus der Hand fraßen. Ich präsentierte mich mit Schlafzimmerblick und aufreizend herausgestrecktem Busen. Mein Gott, wie lächerlich.
Richie riß die Plastikhülle von den Gläsern, die auf der wackeligen Kommode standen, und kippte schnell hintereinander drei kleine Wodka. Er schenkte sich einen vierten, größeren ein und schluckte den, ehe er mir einen Gin eingoß. Er nahm die Flaschen zwischen seine Finger und trug sie zusammen mit seinem Glas zu dem runden Tisch zwischen den beiden Sesseln.
Richie setzte sich, zündete sich eine Zigarette an und begann zu reden.
Ich erinnere mich genau der Themen: Musik, Kunst, Theater, Reisen, Bücher, Filme. Voll tiefer Ehrfurcht angesichts so umfassender Bildung hörte ich zu. Ab und zu gab ich eine Antwort. Später entdeckte ich, daß Schweigen und gebannte Aufmerksamkeit das einzige waren, was von mir erwartet wurde, aber in jener Nacht fand ich, es sei echter Wahnsinn, mit einem Mann zusammenzusein, der sich »einer Frau wirklich öffnete«.
Ich wußte ja nicht, daß Reden für Richie Brewster das Vorspiel ersetzte. Er hatte kein Interesse daran, den weiblichen Körper zu liebkosen. Er brachte sich auf Touren, indem er laberte. Als er sich an diesem Abend in Hitze gequatscht hatte, stieß er mir seine Zunge in den Mund, zog den Reißverschluß meiner langen Hose auf und holte seinen Schwanz raus. Dann bugsierte er mich zum Bett. Er lächelte mich an, sagte sehr bedeutungsschwer »O ja« und zog seine Hose aus. Dann lupfte er meine Hüften und tauchte ein.
Hinterher verschwand er im Bad. Das Wasser rauschte und verebbte wieder. Er kam mit einem Handtuch zurück, warf es mir lächelnd zu und meinte: »Bist du immer so naß?« Ich nahm es als Kompliment. Er ging zur Kommode und schenkte uns beiden wieder zu trinken ein. Er sagte: »Mensch, ich fühl mich wie neugeboren«, und kam zum Bett, wo er mir den Hals küßte und sagte: »Du bist toll. Echt toll. So einen Orgasmus hab ich seit Jahren nicht mehr gehabt.«
Ich fühlte mich unglaublich mächtig, und alles, was ich bisher erlebt hatte, erschien mir völlig unbedeutend. Bis zu dieser Nacht im Commodore waren meine Liebesabenteuer nichts weiter gewesen als schwitzendes Gegrapsche mit grünen Jungs, Kindern, die von Liebe keine Ahnung hatten.
Richie berührte mein Haar. Es war damals mittelbraun, nicht blond wie jetzt, und lang und glatt. Er hielt eine Strähne zwischen seinen Fingern und murmelte: »Hm, schön weich.« Er hielt mir das Ginglas an den Mund. Er gähnte. Er rubbelte sich den Kopf. Er sagte: »Kein Scheiß, mir kommt's vor, als würd ich dich seit Jahren kennen.« Und das war der Moment, in dem ich beschloß, daß ich ihn liebte.
Ich blieb in London. Mir war plötzlich klar, daß ich nie nach Cambridge gepaßt hatte, zu den Snobs und den Schwulen und den Trotteln. Warum, zum Teufel, sollte ich als Gesellschaftswissenschaftlerin Karriere machen - das war sowieso
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