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07 - Asche zu Asche

07 - Asche zu Asche

Titel: 07 - Asche zu Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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konnte. Ich hatte weit mehr als nur Geld in Richie investiert, aber es fiel mir nicht ein, mich damit auseinanderzusetzen. Aber als das Geld noch knapper wurde und seine ganzen Reisen nichts daran änderten, mußte ich den Tatsachen ins Auge sehen.
    Ich beschuldigte ihn. Er gestand. Er wußte nicht mehr ein noch aus. Er hatte seine Frau in Brighton, er hatte mich in London, er hatte ein Flittchen namens Sandy in Southend-on-Sea.
    Von Sandy allerdings sagte er zuerst keinen Ton. Er war ja nicht blöd. Er ließ mich mit seiner Frau hadern, Loretta, der Märtyrerin, die ihn immer noch liebte, sich nicht von ihm trennen konnte, die Mutter seiner Kinder war und so weiter und so fort.
    Er weinte, als er es mir sagte, weil »du die Frau bist, die ich brauche, Liv. Du bist es. Alles andere ist unbedeutend«.
    Außer Sandy, wie sich herausstellte. Von Sandy erfuhr ich an einem Mittwochmorgen, gleich nachdem mir der Arzt erklärt hatte, daß das, was ich für eine lästige Infektion gehalten hatte, in Wirklichkeit Herpes war. Donnerstag abend war ich mit Richie fertig. Ich hatte gerade noch die Kraft, seine Sachen die Treppe hinunter vor die Haustür zu werfen und jemanden zu bestellen, um das Schloß auswechseln zu lassen. Am Freitag abend dachte ich, ich müßte sterben. Am Samstag nannte es der Arzt »eine höchst interessante und eigenartige Entzündung«, was heißen sollte, daß er so etwas noch nie gesehen hatte.
    Ich hatte sechs Wochen Zeit, um über Sandy, Richie und Southend-on-Sea nachzudenken, während ich zwischen Arzt, Toilette und meinem Bett hin und her wankte und meinte, Wundbrand könnte nicht schlimmer sein als das, was da in meinem Körper tobte.
    Bald war es soweit, daß ich nichts mehr zu essen in der Wohnung hatte, auf dem Boden lagen Haufen schmutziger Wäsche, Geschirr flog an die Wand, und ich hatte kein Geld mehr. Der Staat zahlte zwar den Arzt, aber sonst gab mir niemand etwas.
    Ich weiß noch, wie ich am Telefon saß. Es war Sonntag mittag.
    Dad meldete sich. Ich sagte: »Ich brauche Hilfe.«
    »Livie? Wo, um Gottes willen, bist du? Was ist passiert, Liebes?«
    Wann hatte ich das letztemal mit ihm gesprochen? Ich konnte mich nicht erinnern. Hatte er immer so sanft geklungen? War seine Stimme immer so gütig und so leise gewesen?
    »Es geht dir nicht gut, nicht wahr?« fragte er. »Hast du einen Unfall gehabt? Bist du verletzt? Bist du im Krankenhaus?«
    Es war ganz merkwürdig. Seine Worte wirkten wie Narkose und Skalpell. Ich öffnete mich ihm ohne Mühe. Ich erzählte ihm alles. Als ich fertig war, sagte ich: »Daddy, hilf mir. Bitte hilf mir da raus.«
    »Laß mich das mit deiner Mutter besprechen. Ich werde tun was ich kann. Deine Mutter ist -«
    »Ich halte es hier nicht mehr aus.« Ich begann zu weinen, und ich haßte mich dafür. »Daddy!« Ich muß gejammert haben, weil ich das Wort noch lange, nachdem ich es ins Telefon gesprochen hatte, in der Wohnung hören konnte.
    Er sagte sanft: »Gib mir deine Telefonnummer, Livie. Gib mir deine Adresse. Ich spreche mit deiner Mutter. Ich melde mich bei dir.«
    »Aber ich -«
    »Du mußt Vertrauen zu mir haben.«
    »Versprich es mir.«
    »Ich werde tun, was ich kann. Es wird nicht leicht werden.«
    Ich nehme an, er vertrat meine Sache, so gut es ging, aber Mutter war in Familienangelegenheiten immer die Expertin gewesen. Und sie behauptete ihre Position. Zwei Tage später schickte sie mir in einem Briefumschlag fünfzig Pfund. Sie lagen in einem gefalteten Blatt Papier, auf das sie geschrieben hatte:
    »Ein Zuhause kann nur ein Ort sein, an dem Kinder lernen, sich an die Regeln ihrer Eltern zu halten. Wenn Du garantieren kannst, daß Du Dich an unsere Regeln halten wirst, dann laß es uns wissen. Tränen und Hilferufe sind jetzt nicht mehr genug. Wir haben Dich lieb, Kind. Wir werden Dich immer liebhaben.«
    Und das war's.
    Echt Miriam, dachte ich. Ich konnte zwischen den Zeilen ihrer gestochenen Handschrift lesen. So war das, wenn die eigenen Kinder für einen erledigt waren. Nach Mutters Meinung hatte ich nur das bekommen, was ich verdiente.
    Na schön, dann zum Teufel mit ihr, dachte ich und jagte ihr sämtliche Verwünschungen an den Hals, die mir einfielen. Wünschte ihr Krankheiten und Leiden, alles Unglück dieser Welt. Da sie sich an meiner Situation freute, würde ich mich an ihrer freuen.
    Tja, das Leben geht seltsame Wege.

Olivia
    Die Sonne scheint warm auf mein Gesicht. Ich lächle, lehne mich zurück und schließe die Augen. Ich zähle,

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